Mit PC ins Paradies

7.11.2013, 19:00 Uhr
Mit PC ins Paradies

© Mark Johnston

Maria Magdalena schaut aus wie aus dem Bilderbuch der Dorfkirchen: im 14. Jahrhundert erbaut, im 19. Jahrhundert kräftig umgestaltet, mit Empore, Schnitzaltar und versprengten Heiligenfiguren. Nun aber prangen in dem kleinen Schiff sowie im Gemeindehaus nebenan einige Bilder in Kreide-, Tusche- und Buntstiftmischung, die auf den ersten Blick so gar nichts mit erbaulich-christlicher Kunst gemein haben.

Kein Trost, kein Heilsversprechen. Eher gallige Kommentare zu denselben. Doch Halt, unsere Vorfahren pflegten auch die drastische Moritat im Bilde. Sie zeigten den Sünder in seinen Verstrickungen, von Teufeln umringt; den Sensenmann, der alle zum Tanze lädt; und schließlich den Transi, also den Toten im Zustand des Verrottens mit aufgeplatztem Bauch, Würmern und Kröten.

Zu solch garstigen Bildern greift der Ungar Béla Faragó zwar nicht, doch sein Thema ist eins der zentralen Themen aller Offenbarungsreligionen: das Paradies als Ort der Herkunft wie des Zieles aller Menschheit. Und der Weg dahin. Und die vielen Abwege zu den falschen Paradiesen.

Paradiesdarstellungen fallen an Unterhaltungswert gegenüber den Höllenvisionen ungemein ab. Während Künstler in der Hölle nicht müde wurden, sich in Teufeleien gegenseitig zu überbieten, herrscht im Paradies eitel Wonne. Gemeinhin wird das Paradies als bessere Erde abzüglich schlechten Wetters begriffen. Die Wonne erschöpft sich im Speiseplan, in ewiger Jugend, sowie in der Stillung elementarer Bedürfnisse. Und wo bleibt das Spirituelle?

 

Überfliss im Blick



Béla Faragó nun greift sowohl die Visionen des spirituellen wie des materiellen Überflusses auf. In seinem Bild „Willkommen im Paradies“ liegen sowohl das Raubtier neben dem Wiederkäuer, und reckt der Mensch mannshohe Reben in die Höhe; darüber hinaus tauschen Bischof und Mullah ihre Herzen aus, entledigen sich orientalische Frauen ihrer Burkas und zeigen sich wie Gott sie geschaffen hatte. Doch auf den Bäumen wachsen nicht nur Früchte, sondern Geldbündel, Autos und Computer. Visionen des technischen Überflusses, den wir ja schon im Diesseits genießen. An diesem Paradies muss etwas faul sein.

Gerade weil wir im Luxus baden, sind wir Mitteleuropäer vorsichtig gegenüber den Heilsversprechungen des materiellen Wohlstands geworden. Der Baselitz-Schüler Béla Faragó nutzt dieses Unbehagen, indem er unsere verwirklichten Visionen aufgreift und mit den utopischen Vorstellungen des weltweiten Frieden-Freude-Eierkuchen vermischt.

Welcher Weg führt zum Paradies? Der Irrwege sind viele, als da wären Mammon und Luxus. Uralte Themen, denen Faragó neue Attribute verleiht. Lockte vordem Mammon mit dem prallen Geldsack und tanzten abtrünnige Juden um das Goldene Kalb, so knien diesmal Menschen um die Luxuskarosse oder den neuesten PC. Selbst ein Fußballer wird zum Heiland, die Lederkugel zum Kultobjekt.

Doch halt, auch hier lässt Béla Faragó ein paar Hintertürchen offen. In vier Bildern umgibt er einen aufgeklappten Laptop mit Strahlenkranz und einer ehrfürchtig staunenden Gemeinde. Natürlich ist man versucht, die Ansammlung als einen Haufen materiell Verirrter und den Laptop als falschen Heiligen Gral, das Internet als Lügengewebe zu deuten. Doch auf einem Bild umringen Frauen in Burka mit Augengitter den Computer. Was in unserer Kultur erst als Luxus hofiert wurde und heute als unverzichtbarer Alltagsgegenstand akzeptiert ist, besitzt in einer anderen Kultur ungeheure Sprengkraft, kann tatsächlich Wissensgrenzen verschieben und Wege zu einem besseren Leben aufzeigen.

Ein weiterer Weg zum Paradies bildet die Prozession. Mehrere Prozessionsbilder bietet Faragò an, inspiriert von Erlebnissen in Spanien, Italien und Osteuropa. Doch seltsamerweise verunklärt Faragó den Gegenstand der Verehrung, der Zug führt im Zickzack durch leere Landschaften, ein Ziel scheint nicht erkennbar.

Befindet sich also auch die etablierte Religion auf einem Irrweg? „Sie predigen Wasser und trinken Wein.“ Eigentlich bieten die Vorgänge um den Limburger Bischof eine Steilvorlage für provokative Malereien.

Bis 1. Dezember in der Kirche Maria Magdalena, Magdalenenweg 6 in Buchschwabach. Sa, 9. 11., von 13 bis 16 Uhr; So, 17. 11., von 8 bis 11 Uhr, Mi, 20. 11., von 18 bis 22 Uhr und So, 24. 11., von 8 bis 11 Uhr und 13 bis 17 Uhr.

Keine Kommentare