Stichtag fürs neue Scheidungsrecht naht

18.6.2009, 00:00 Uhr
Stichtag fürs neue Scheidungsrecht naht

© Hans Winckler

Es kann schnell gehen. Wie bei jenem Mandanten, der einen Tag nach der Hochzeit bei Thomas Foerster vorsprach. Andere Paare lassen sich noch im Alter von 80 und mehr Jahren scheiden. Weil, was mal funkte, jetzt nicht mehr funktioniert. Zum ersten September treten wichtige Änderungen in Kraft - es kann sich für Scheidungswillige durchaus lohnen, den Stichtag zu beachten.

Etwa beim Zugewinnausgleich. Dort klafften Rechtsprechung und Gerechtigkeitsempfinden in der Vergangenheit häufig auseinander. Die Gesetzeslage bisher: Die Eheschließung wurde als Punkt Null betrachtet, der Vermögenzuwachs am Ende aufgeteilt. Bereits eingebrachte und im Verlauf der Ehe getilgte Schulden zählten nicht.

Neu ist ab September, dass der «wirtschaftliche Zugewinn» errechnet wird. Beispiel: Er startet mit 50 000 Euro Schulden in die Ehe, sie bei Null. Beide erarbeiten über die Jahre 100 000 Euro, am Ende beträgt das Ehevermögen 50 000 Euro. Früher wäre die Summe geteilt worden, im neuen Recht muss die Frau nicht ausgleichen und darf die 50 000 Euro allein behalten.

Auch künftig werde «mit minimalen Ausnahmen» nicht gerechnet, wer welche Vermögenswerte in der Ehe erworben hat, sagt Thomas Foerster. Den Zugewinn schaffen beide Partner. Punkt. Über die Ehe hinaus reichen Rentenansprüche. Auch hier wird eine Vereinfachung kommen: Bei Ehen, die weniger als drei Jahre dauern, findet der Rentenausgleich künftig nur noch auf Antrag statt.

Anspruch auf die Rente

Und, wichtiger noch, Ansprüche aus der Betriebsrente oder der Riester-Vorsorge werden ab Herbst einzeln gerechnet. Bisher wurden alle in die gesetzliche Rente umgerechnet; mit der Folge, dass durch einen ungünstigen Umrechnungsfaktor die ausgezahlten Summen teilweise wesentlich niedriger waren als die «Einzahlung» des ehemaligen Gatten oder der Gattin.

Weil die Änderungen je nach Einzelfall-Lage bares Geld bedeuten können, raten die Rechtsanwälte Scheidungswilligen, sich gut zu überlegen, wann sie den Antrag stellen.

«Der Gesetzgeber bemüht sich, das Recht den modernen Verhältnissen anzupassen», sagt Thomas Foerster. Sei es mit der Änderung des Sorgerechts 1998, das Vater und Mutter gleichberechtigt, oder mit dem Unterhaltsrecht von Anfang 2007, wonach Ehefrauen weniger lange Anrecht auf Unterhalt haben und schneller wieder einen eigenen Job annehmen müssen.

Gerade Frauen, die sich auf ein traditionelles Ehemodell - er verdient, sie versorgt Haushalt und Kinder - eingelassen hätten, würden dadurch massiv schlechter gestellt, kritisiert Foerster. Seine Kollegin Liebing berichtet, dass viele Familienrichter de facto zwar weiter einbeziehen, wie lange das Paar verheiratet war, ob Kinder da und wie alt sie sind. Doch der Spielraum wird größer, die Entscheidungen würden damit immer weniger kalkulierbar und der Ausgang der Scheidung ungewiss.

Die dritte Änderung bewerten beide Rechtsanwälte als ausgesprochen positiv: Alles, was mit der Ehe zusammenhängt, wird automatisch vom Familiengericht geklärt. Bislang mussten - etwa wenn zwei Jahre nach der Scheidung noch Steuerfragen geklärt werden mussten oder Schwiegereltern Geschenke zurückforderten - die Zivilrichter entscheiden. Künftig geht alles wieder an den Familienrichter, der den Fall kennt. GABI PFEIFFER