Für Meta Schwarz gab es keine Tabletten

23.6.2009, 00:00 Uhr

Der stille Holocaust in den Krankenhäusern

Bis heute werden fast jeden Tag neue Namen von Holocaust-Opfern in Deutschland bekannt. Seit den 60er Jahren werden diese beim Bundesarchiv für ein Gedenkbuch gesammelt. 1986 erschien das Gedenkbuch erstmals gedruckt, seit etwa zwei Jahren sind die mittlerweile rund 158 000 Namen auch im Internet nachzulesen.

«Es gibt bis heute fast jeden Tag komplette Neueinträge», sagt Nicolai Zimmermann von der zuständigen Bundesarchiv-Abteilung in Berlin. Das liegt unter anderem an Geschichten wie der von Meta Schwarz. Denn viele Opfer sind auf den ersten Blick gar nicht als solche zu erkennen.

«Es ist fast unmöglich, herauszufinden, wie viele jüdische Opfer des Nationalsozialismus im Krankenhaus gestorben sind», erläutert Zimmermann. Außerdem seien manche Morde in Krankenhäusern oder Gefängnissen in Protokollen als Selbstmord deklariert worden, damit es keine Probleme gab. In den Vernichtungslagern gab es oft keinerlei Listen oder Nachweise über Ermordete, oder diese wurden vor der Befreiung der Lager vernichtet.

In den Gedenkstätten wird weitergeforscht. Doch wichtige Hinweise haben die Fachleute heute häufig gerade den Heimatforschern und Hobbyhistorikern wie Gisela Naomi Blume zu verdanken. «Neue Opfernamen kommen heute in großem Umfang aus der regionalgeschichtlichen Foschung», sagt Zimmermann. Auch Stadtarchivare und Familienangehörige stellen eigene Forschungen an. «Wir sind auf diese Erkenntnisse angewiesen.» Jede Information werde akribisch geprüft. So seien in den vergangenen drei Jahren etwa 10 000 Opfernamen hinzugekommen.

Der «gefälschte» Tod eines Nürnbergers

Blume forscht in Fürth schon seit Jahren und hat mit der Hilfe vieler Unterstützer ein eigenes Denkmal für die ermordeten Fürther Juden auf dem Neuen Jüdischen Friedhof geschaffen. Bis heute melden sich Angehörige von Verschollenen bei ihr. Über einen solchen Weg erfuhr sie auch vom Schicksal von Meta Schwarz.

Blume ist aber auch auf Fälle gestoßen, bei denen Selbstmorde von den Nationalsozialisten als natürlicher Tod ausgegeben wurden. So wie bei Alfred Wagner, der ein Herrenbekleidungsgeschäft in Nürnberg hatte. Kurz vor seiner für März 1942 angekündigten Deportation versuchte er, sich zu vergiften. «Er starb im Krankenhaus. Als Ursache wurde Herz-Asthma angegeben, um einen natürlichen Tod vorzutäuschen», berichtet Blume. Angehörige erzählten erst viel später die Wahrheit über den Tod Alfred Wagners.

«Wir wussten. dass wir uns niemals wiedersehen»

Zimmermann geht davon aus, dass die Forschung noch viele Jahre weitergehen wird und die Opferlisten länger werden. Es muss auf jeden Fall weitergesucht werden, meint Meir Schwarz. Der heute 83-Jährige hat seine Mutter Meta kurz vor ihrem Tod in dem Fürther Krankenhaus noch gesehen, bevor er mit einem Kindertransport in seine heutige Heimat Israel gebracht wurde: «Wir wussten, dass wir uns nie wiedersehen.»

Britta Gürke, dpa

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