Schräge Töne im Fiedler-Haus

20.7.2009, 00:00 Uhr
Schräge Töne im Fiedler-Haus

© Hans-Joachim Winckler

Zahlenverhältnisse spielen eine bedeutende Rolle. Dabei verrieten die vier Säulen, dass es sich früher um vier Räume handelte, die umgebaut wurden. Die Relation des Teils zum Ganzen drückt sich nun in Pommers Werk aus, als Septime und strukturierte Improvisation über die Takte.

Das ganze changiert zwischen neuer Musik und Jazz, kein leichte Kost, sondern mit vielen Reibungen. Es geht schließlich nicht um ein harmonisches Renaissance-Gebäude, hier bleiben bei einer musikalischen Untersuchung schräge Töne nicht aus. Pommer am Flügel, Kathrin Münten am Kontrabass und Sandor Toth an der Percussion proben voll konzentriert.

Energetisch aufgeladen

Pommers energetische aufgeladene Arbeit ist ein Teil der künstlerischen Aktivitäten in dem leer stehenden Bau im Herzen der Stadt, über dessen Schicksal schon viel diskutiert wurde und dessen Zukunft ungewiss ist. Unter dem schlagkräftigen Titel «einLaden» hat sich hier eine interdisziplinäre Künstler-Clique breit gemacht, die letztes Jahr Ähnliches in der Alexanderstraße startete.

Nun haben sie eine größere Herausforderung angenommen - und gemeistert. 12 000 Quadratmeter Riesenfläche sind mit Kunst gefüllt, die tote Fläche belebt. An den Wänden hängen knallige Bilder von Sascha Banck, die im Dunklen fluoreszieren. Dabei beeindrucken sie mit ihrer frischen Wucht schon bei Licht. Daneben hat Johanna Klose eine Installation aus Kleiderbügeln angefertigt, die zurückgeblieben waren. Auch Schaufensterpuppe Schorsch, das Maskottchen, ist so ein Laden-Rest. «Wir finden es toll, dass hier jetzt nichts verkauft wird, dass es um freien Austausch geht», sagt Schauspielerin Christine Maaß.

Ein besonderes Schmankerl ist das Kaffeehaus, das sie mit konzipiert hat. Unter dem Motto «Bemühungen im Umgang mit dem freien Willen der Gäste – Lux is Luxus» kann man Überraschungen erleben. Was verbirgt sich wohl hinter dem «Kaffee Luxfänger»? Zu jeder Bestellung wird ein künstlerisches Bonbon serviert, das man selbst erleben muss.

Auch hier wird alles vorbereitet, wobei Masken, Kopfhörer und Lichteffekte zum Einsatz kommen. Der Beginn des Konzertes soll eine scheinbare Bestellung sein, wird schnell noch ausgemacht. Vor der Türe im Regen stehen Sigi Wekerle und Martin Ellrodt, Impro-Schauspieler der eine, Erzähler der andere, und planen ihren Auftritt. Wie gewohnt können die Gäste das Geschehen auf der Bühne mit Stichworten beeinflussen. Der Titel «Dinge, die wo leben» verspricht, dass Zahnbürsten zu Rittern und Bälle zu Prinzessinnen werden. Als das Programm startet, sind sie als erste dran. Verschiedene kleine Geschichten weben sich um die Kasse mit dem Eintrittsgeldern, einen Rucksack und anderes. Dann sitzt man gemütlich im Café - bis ein Mädchen eine «Lux»-Bestellung aufgibt und Pommers Konzert kredenzt wird. Was für eine Melange. ANNE PETERS