Ein Nahkampf dauert 90 Minuten

3.3.2006, 00:00 Uhr
Ein Nahkampf dauert 90 Minuten

Physische Bedrohungen in jeglicher Ausformung hat der inzwischen 48 Jahre alte Künstler, der bei Georg Baselitz und an der Nürnberger Akademie studierte, wiederholt in seinen Zeichnungen thematisiert. Sport — das ist bei ihm zwar nicht ein Reim auf Mord, aber Sinnbild übersteigerten Leistungsdrucks und kruder Männlichkeitsrituale, Ausdruck kanalisierter Gewalt im taumelnden 20. und 21. Jahrhundert. Die verrückte Welt zu Gast bei seltsamen Freunden.

Mit enthusiasmierten Fußballfans ist also nicht zu rechnen, wenn in Edda Schneiders Werkstatt Naturstücke ab heute eine Kunst aufläuft, die sich mit einer global verehrten Sportart sichtlich schwer tut. Zwar ist «Fußball 2006“ auch deutlich vom Geschäftssinn Faragós inspiriert — er selbst bekennt dies sympathisch offen — , doch für das Spiel, das 90 Minuten dauert, empfindet der in Nürnberg lebende Ungar keinerlei Faszination.

Mit Händen greifbar ist stattdessen, mit welch spontanem, dynamischem, robustem Strich er die Geister zu bannen versucht, die dieser Sport jedenfalls in seinen Augen gerufen hat. Für ein Großformat, das eine K.o.-Szene im Boxen bannt, erhielt Faragó, Restaurator im Hauptberuf, im Vorjahr den mit 8000 Euro dotierten Sonderpreis des Verlegers der Nürnberger Nachrichten; bereits 2003 war er Dritter beim NN-Kunstpreis.

Und nun: Fußball. Die eigens für diese Fürther Schau geschaffenen zwölf Arbeiten in Tusche, Pastell und Kreide zeigen Spieler in typischen Sieger- und Verliererposen. Fantastisch herausgearbeitet, szenisch großartig fokussiert ist die Grobschlächtigkeit dieser Typen, denen nachts zu begegnen sich nicht zu empfehlen scheint.

Man glaubt den Gratulierschlag des Mitspielers auf den Rücken des Goalgetters physisch zu spüren. Der Schmerz des zu Boden Gegangenen schreit den Betrachter an. Köpfe wie Klötze, Gesichtszüge, die gequälten Kälbern ähneln, schweinsfarbene Teints, Fäuste wie Rammböcke, Stiernacken und grob häckselnde Holzfällerbeine — wenn das Beckenbauer sieht, beehrt er Faragó mit dem Titel einer veritablen Stimmungsbremse.

Eine polarisierende Sichtweise ist ihm zu Eigen, gewiss; doch Faragó legt das Wesen dieses Sports frei. Ein Kampf auf Biegen und Brechen: das ist Fußball. MATTHIAS BOLL

«Fußball 2006“: Vernissage heute, 19 Uhr. werkstatt edda schneider naturstücke, Herrnstraße 71. Freitags 10-18, samstags 10-13 Uhr und nach Vereinbarung unter Tel. 77 77 76. Bis 1. April.