2. März 1970: Mit Schere, Kamm und Bürste

2.3.2020, 07:17 Uhr
2. März 1970: Mit Schere, Kamm und Bürste

© NN

Mit Kamm und Bürste wetteiferten sie um die begehrte Trophäe. Und siehe da: in nur wenigen Minuten verwandelten die Haarkünstler ihre mit Lockenwicklern und Clipsen gepanzerten Modelle in eine Tages- oder Abendschönheit. Nach einem harten Kopf-an-Kopf-Rennen durfte Nürnbergs bayerischer Meister Winfried Löwel aufatmen und einen Trichter kassieren.

Zum zweiten Male hatte der Modering der Friseur-Innung Nürnberg zum Preisfrisieren um den goldenen Trichter von Nürnberg geladen – und die Figaros aus allen Teilen der Bundesrepublik und aus Österreich folgten dem Ruf. Ihre Modelle brachten sie gleich mit, denn schließlich will das haarige Werk – soll es den Meister loben – auch gut vorbereitet sein.

Ein strenges Reglement sorgte dafür, daß sich die Jury nicht von rein äußerlichen Vorzügen blenden lassen konnte: „Die Verwendung von Haarersatz und Schmuck sowie extreme Haarfarben sind nicht gestattet!“ Doch die Palette des Erlaubten war von Kupfergold bis Mahagoni noch weit genug gesteckt. Tiefe Einblicke – zumindest bei der Tagesfrisur – waren ebenso streng verpönt wie Make-up und Wimperntusche bei den männlichen Modellen.

Mit einer typischen Teenager-Tagesfrisur hatte die Jugend den Vortritt. Doch trotz ihres Eifers und Könnens konnte sie keinen Trichter, sondern nur einen Pokal gewinnen, den der glückstrahlende Lehrling Anita Ehmann aus Nürnberg mit nach Hause nehmen durfte. Ihre männlichen Kollegen waren nicht ganz so erfolgreich: sie wurden von Hans Wolf aus München geschlagen.

Um so gespannter war das Publikum – vorwiegend vom Fach – auf den Wettstreit in den Sonderklassen. Besonders bei den Herren der Schöpfung legte die Jury strenge Maßstäbe an. Aber sie konnte kein „vorgearbeitetes“ Modell entdecken. Geduldig lieferten alle 28 Männer ihre Mähnen ans Messer – drei Wochen lang hatten sie sie ganz en nature wachsen lassen müssen. Den modernsten und schönsten Messerformhaarschnitt mit der gepflegten männlichen Note brachte Helmut Ulm aus Frankfurt zuwege.

Doch ein Trichter mußte schließlich ja in Nürnberg bleiben. Der bayerische Meister Winfried Löwel rettete die Ehre des ehrwürdigen Handwerks. Fast hätte er seine Meisterleistung in der Kombination Tages- und Abendfrisur dem Los anvertrauen müssen. Denn Michael Merkel aus Königstein erreichte die gleiche Punktzahl – und nur ein Trichter war zu vergeben. Aus dieser haarigen Geschichte half als Jurymitglied Weltmeister Kurt Schrepfer. Er stiftete kurzerhand eine zweite, gleich-berechtigte Trophäe.

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