22. März 1970: Auf der Alm stimmen die Preise noch

22.3.2020, 09:02 Uhr
Auf einem Plateau vor einer Kulisse von Zweitausendern gelegen: die Fritz-Hintermayr-Hütte.

© VNP / Dirla Auf einem Plateau vor einer Kulisse von Zweitausendern gelegen: die Fritz-Hintermayr-Hütte.

Wenn die Erni nicht mag, bekommt der Gast im Glemmtaler Hof, einem der führenden Hotels am Platze, kein Bier: die Bedienung hat keine Zeit, weil sie die Tische für das Mittagessen decken muß.

Anders die Christl: in der oberhalb des Ski-Ortes gelegenen Nürnberger Fritz-Hintermayr-Hütte hat sie genügend Zeit für ihre Gäste. Hier hilft die Bedienung sogar aus, wenn beim Karteln der vierte Mann fehlt.

Dieser Gegensatz tut sich in Hinterglemm bei Saalbach im Salzburger Land auf: wo man glaubt, als Hotelgast Vorzüge genießen zu können, ist man in aller Eile einer unter vielen Fremden – und wo man es fast nicht erwartet hat, ist der Gast noch König: auf der Fritz-Hintermayr-Hütte der Sektion Noris im Deutschen Alpenverein.

Seit zehn Jahren unterhält die Sektion dicht an der Tiroler Landesgrenze die ganzjährig bewirtschaftete Alpenvereinshütte – und während der Erholungsort Hinterglemm von Urlaubern immer stärker frequentiert wird, nehmen die Übernachtungszahlen auf der Hütte in letzter Zeit ab.

Das liegt sicher nicht an der Hütte. Aber woran dann? Haben die Deutschen (90 Prozent der Hüttengäste kommen aus der Bundesrepublik) zu viel Geld und zahlen lieber im Hotel 80 Schilling für ein Bett als 32 Schilling für die Hütten-Übernachtung im Zweibettzimmer (Alpenvereinsmitgliedern werden nur 22,50 Schilling abverlangt) – oder ziehen sie aus Bequemlichkeit Komfort der Romantik vor?

Komfort gibt es im Glemmtaler Hof jede Menge: Tanz im Saal, den die Hotelgäste nach dem Abendessen möglichst um 20 Uhr räumen müssen, wollen sie nicht 12 Schilling extra für die Musik zahlen (dafür hört man die allerdings gute Band kostenlos bis in den vierten Stock hinauf), zwei apres-ski-schummrige Kellerbars, einen Fernsehraum und Teppichbelag im ganzen Haus. Damit kann die nach ihrem finanzkräftigsten Förderer Fritz Hintermayr benannte Nürnberger Hütte natürlich nicht konkurrieren: kein Fernsehen, keine Teppiche, keine Bar, keinen Aufpreis, wenn das Frühstück nicht bis zum festgesetzten Zeitpunkt eingenommen worden ist – und keine stolzen Preise: während unten die Erni für das Wiener Schnitzel 45 Schilling kassiert, berechnet oben die Christi nur 29,70 Schilling.

Dafür geht es auf einer Hütte sehr primitiv zu? Nun ja, sagen wir lieber einfach. Immerhin: fließend Wasser gibt es in jedem der sieben Zweibettzimmer und für die übrigen Gäste in den beiden großen Schlafräumen stehen ausreichend Waschgelegenheiten zur Verfügung. Auch eine Dusche ist im Haus, die auf Bestellung beim Hüttenwart warmes Wasser liefert.

Doch was an Komfort fehlen mag, wird durch das Mehr an Romantik und Erholung wettgemacht (wer glaubt, in den doppelstöckigen, aber soliden Betten schlecht zu schlafen, ist mit knarzenden Hotelbetten auch nicht besser bedient). Aber die Konkurrenz schläft nicht. In den letzten Jahren sind zwei neue Hütten in Betrieb genommen worden, die beide günstiger gelegen sind: zum Mittagessen brauchen die Skifahrer nun nicht mehr bis zur Nürnberger Hütte abzufahren, und die Spaziergänger müssen nicht mehr so weit aufsteigen (den größten Teil der Strecke kann man allerdings auch fahren).

Die Folge: ausbleibende Gäste und ein Hüttenwart, der auf Veränderung sinnt. Seit acht Jahren bewirtschaftet der Österreicher Matthias Rosner mit seiner Frau die Fritz-Hintermayr-Hütte, aber jetzt hält er seine Zeit für gekommen, zumal auch die Übernachtungszahlen stark rückläufig sind (von 42 Betten waren beim Besuch der „Nürnberger Nachrichten“ nur zehn belegt): wenn keine Änderung eintritt, will er seine Koffer packen. „Meine Familie muß schließlich auch leben“, sagt Rosner.

Das soll sie auch: Karl Winter, Vorsitzender der Sektion Noris, macht sich seit geraumer Zeit Gedanken darüber, wie die Hütte attraktiver gestaltet werden kann. Beispielsweise wird an eine Warmwasserversorgung gedacht, die mithelfen soll, die abgesunkene Übernachtungsquote wieder zu heben und auch wieder mehr Nürnberger nach Hinterglemm zu locken: derzeit kommt nur ein Drittel aller deutschen Gäste aus der Noris.

Karl Winter will demnächst mit Matthias Rosner und mit dem Hüttenausschuß der Sektion besprechen, wie das Hüttenleben aktiviert werden kann, ohne daß dabei die Statuten verletzt werden. Karl Winter zuversichtlich: „Wir werden schon einen Weg finden.“ 

Verwandte Themen