Unverpackt einkaufen: Was gehört dazu?

2.12.2020, 10:07 Uhr
Unverpackt einkaufen: Was gehört dazu?

© Unverpackt e.V.

Wir haben uns in den letzten 13 Wochen intensiver damit befasst, was das wirklich bedeutet. Wir, das sind Antonia Weise, Jana Weber und Anna Beigel - drei Journalismus-Studentinnen der Hochschule Ansbach. Ein bisschen Vorwissen zum Thema hatten wir bereits, doch nun stellten wir uns vor allem die Frage „Wie unverpackt sind diese Läden wirklich?“ Auch interessiert hat uns, was alles unter diese Thematik fällt. Welchen Einfluss haben andere Läden auf die ganze Unverpackt-Thematik? Achten sie auch auf ihre Verpackungen? Unser Projekt soll einen kleinen Einblick in die unverpackte Welt und die Menschen dahinter geben.

Unverpackt durch den Monat

Stefanie Wagner hat 2019 den ersten Menstruationsladen der Welt aufgemacht. Und das auch noch in Ansbach! Dort findet man ausschließlich alternative und nachhaltige Periodenprodukte. Außerdem produziert Stefanie auch ihre eigenen Stoffbinden. Wie nachhaltig diese Alternativen wirklich sind und ob man sich das überhaupt leisten kann, erfahren Sie in unserem kurzen Beitrag.

Unverpackt einkaufen: Was gehört dazu?

© Mari&Anne


Interview mit Gregor Witt, Vorsitzender des Unverpackt-Verbands

Wann genau ist etwas unverpackt, woher kommt der Trend und wie entwickelt er sich in Deutschland? Diese und weitere Fragen beantwortet Gregor Witt, der Vorsitzende des Unverpackt e.V.

Herr Witt, was bedeutet „unverpackt“ überhaupt?

Witt: Laut Satzung des Unverpackt-Verbands müssen 70 Prozent der Waren in Unverpackt-Läden entweder lose zum Selbstabfüllen oder im Mehrwegsystem sein. Wenn ich also mindestens 70 Prozent meiner Waren im Pfandglas anbiete, könnte ich mich immer noch „Unverpackt-Laden“ nennen, was natürlich nicht der Fall ist. Von den Umsätzen, die ein Laden generiert, muss mindestens die Hälfte mit den unverpackten Waren oder den Mehrwegverpackungen gemacht werden. Dann ist man laut Satzung eben ein „Unverpackt-Laden“. Zusätzlich bekennen wir uns zur Zero Waste Philosophie

Was heißt das genau?

Witt: Wenn ich über Zero Waste spreche, dann ist die Verpackung das Eine. Das Andere wäre der Transportweg.

Wir zum Beispiel haben Reis aus Italien und nennen ihn dann schon regional, weil er weitaus näher ist als Indien, wo sonst der Reis eventuell herkommen würde. Das heißt also: einmal werden Ressourcen bei der Herkunft gespart und einmal bei der Verpackung.

Gibt es sowas wie Greenwashing bei Unverpackt-Läden? Also, dass sie versuchen sich nach außen hin umweltfreundlich und umweltbewusst darzustellen, obwohl sie’s nicht sind?

Witt: Dadurch, dass alle Unverpackt-Läden auf die gleichen Lieferanten zugreifen, gehen wir jetzt erstmal davon aus, dass wir da schon alle auf einem großen gemeinsamen Nenner unterwegs sind.

Wir als Verband sind in ständigem Austausch und in der Optimierung der Verpackungswege, der Verpackungsarten und der Lieferketten.

Tatsächlich mussten wir als Verband neulich einen Unverpackt-Laden ausschließen. Durch E-Mails von Konsumenten haben wir festgestellt, dass der Laden das Thema Unverpackt nur benutzt hat, um sich bekannter zu machen und im Grunde 80 Prozent aller Waren ganz normal verkauft hat. Aber das sind Ausnahmen.

Woher kommt dieser Trend der Unverpackt-Läden?

Witt: Begonnen hat das Ganze 2014 in Kiel. Da wurde der erste Laden in Deutschland eröffnet und der hat im Grunde die Bewegung ins Rollen gebracht. Ab Mitte 2018 gab’s den größten Zuwachs - da ist es richtig explodiert. Das führt dazu, dass wir jetzt über 240 bestehende Läden in Deutschland haben und weit über 200 in Planung sind.

Inwieweit werden Unverpackt-Läden von der Stadt gefördert?

Witt: Immer wieder kommen Anrufe oder E-Mails von Kommunen, die sagen: „Wir haben hier eine Immobilie und möchten gerne, dass ein Unverpackt-Laden reinkommt.“ Die Städte fördern die Läden, indem sie am Anfang wenig Miete erheben. Oder es wird versucht übers Marketing und über Öffentlichkeitsarbeit der Stadt sowas zu fördern. Direkte Fördergelder in dem Sinne sind mir nicht bekannt.

Hatte die Bewegung Fridays for Future einen gewissen Einfluss auf das Ganze? Also sind die Menschen sich der Problematik bewusster geworden?

Witt: Sicherlich hat die Bewegung Fridays für Future die Nachfrage erhöht, bzw. einen Impuls zu mehr Nachhaltigkeit gegeben. Aber vor allem hat der Zuwachs mit der Zeit zu tun. Es gibt Pioniere, die trauen sich. Wenn Andere dann merken, den ersten Unverpackt-Laden gibt es immer noch, dann ziehen sie nach. Das ist eine zwangsläufige Entwicklung, die jede Neuheit mit sich bringt.


Plastikfreie Naturkosmetik aus Mainfranken

Unverpackt einkaufen: Was gehört dazu?

© Mari&Anne

Was haben Naturkosmetik, die Mainfränkischen Werkstätten für Menschen mit Behinderung und nachhaltige Verpackungen gemeinsam? Marianne Lewandowski. Die heute 65-Jährige hat 2019 zusammen mit ihrer Tochter ein Unternehmen gegründet, das genau diese Aspekte vereint.

Angefangen hat alles in den neunziger Jahren. Mariannes Tochter Sabine hatte starke Hautprobleme (Perioale Dermatitis), vor allem im Gesicht. Dies ging nicht spurlos an ihrer Mutter vorbei. „Da habe ich gesagt, da gibt es doch auch Möglichkeiten – Hausmittel und so weiter – und dann probieren wir es“, erzählt die ehemalige Krankenschwester. Immer wieder baten Familienmitglieder sie um Hilfe, sei es bei Kleinigkeiten wie juckender Kopfhaut oder anderen Hautproblemen.

Marianne fand Spaß an der Herstellung von Salben und Seifen und besuchte bald die ersten Märkte mit ihren Produkten. „Ich war überrascht, als die Menschen gesagt haben, es hat ihnen geholfen. Da kam erst für mich dieser Punkt, da muss ich weiter dranbleiben.“, erinnert sie sich. Also begann die Gründermutter, ihre Kosmetik zertifizieren zu lassen und für den professionellen Verkauf vorzubereiten. Sie stellte ihre Rezepturen auf Traubenkernöl aus Franken um und bald war auch die Überarbeitung der Verpackung ein Thema.


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„Das ist auch ein Problem; das ist ja gar nicht so selbstverständlich mit dem unverpackt“, beklagt Marianne. Am liebsten würde sie ihre Seifen einfach lose verkaufen, doch der Staat schreibt hier einiges vor. So muss zum Beispiel immer ein Etikett vorhanden sein, auf dem unter anderem Inhaltsstoffe, Mindesthaltbarkeitsdatum und Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch verzeichnet sind. Die Angaben müssen unverwischbar und leicht leserlich sein. Unverpackt-Läden setzen hier auf große Behälter mit festen Produkten und Etiketten, die sich die Käufer bei Bedarf mitnehmen können, aber nicht müssen. Für Unternehmen, die nur selten im Einzelhandel vertreten sind, gestaltet sich das allerdings als schwierig.

„Wir haben uns dann eben für plastikfrei entschieden. Das heißt, dass die Dosen dazugekommen sind und statt Plastik Glas für die Cremes“, erklärt die Gründerin. Außerdem habe sie sich von einigen Produkten getrennt - somit bestehe ihr Sortiment nur noch aus zehn Artikeln.

Den Begriff "Unverpackt-Laden" - hier in Bamberg - kennt mittlerweile wohl jeder.

Den Begriff "Unverpackt-Laden" - hier in Bamberg - kennt mittlerweile wohl jeder. © Frank Märzke

Da der Verkauf größtenteils über einen Onlineshop stattfindet, spielt auch der Versand eine wichtige Rolle. Verpackt wird je nach Größe der Bestellung in Kartons oder gepolsterten Umschlägen. Für Stabilität sorgt Holzwolle. Auf dem Instagram-Account gibt es Tipps, wie man diese und auch leere Dosen sinnvoll wiederverwenden kann. Das Polstermaterial kann man zum Beispiel als Grill- oder Kaminanzünder nutzen und Blechbehälter können das neue Zuhause von Kerzen werden.

Bis heute produziert Marianne die Produkte selbst. Seit März 2020 kooperiert das Familienunternehmen mit den Mainfränkischen Werkstätten für Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung. „Wir haben ja unsere Marina, unsere vierte Tochter, die die Diagnose Down-Syndrom hat und die geht seit circa zwölf Jahren in die Werkstätten“, erklärt Marianne die Entstehung der Zusammenarbeit. Die Mitarbeiter in Kitzingen helfen mit dem Abfüllen und in Gerbrunn mit dem Verpacken der Produkte und dem Bedrucken der Dosen, je nachdem, wo ihre Stärken liegen. Wegen dem Corona-Virus dürfen sie momentan nicht arbeiten, doch Marianne hofft, dass sich das bald wieder ändert. Auch wartet sie auf eine Änderung der Gesetze, die es einfacher macht, leere Verpackungen an Unternehmen zurückzuschicken und wieder befüllen zu lassen.


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