13. Dezember 1970: Nur noch die Siegessäule erinnert an den Krieg

13.12.2020, 07:00 Uhr
13. Dezember 1970: Nur noch die Siegessäule erinnert an den Krieg

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Die berühmte Emser Depesche Bismarcks vom 13. Juli 1870 wird heute nicht mehr als der eigentliche Kriegsgrund angesehen – sie war vielmehr ein schlauer Schachzug Bismarcks, der damit die Sympathien der deutschen Öffentlichkeit für Preußen mobilisierte. Wie sehr diese Rechnung in Nürnberg aufging, zeigt ein Blick in den „Fränkischen Kurier“. Das Blatt forderte bereits am 16. Juli – also zwei Tage vor der Entscheidung der bayerischen Regierung – die Nürnberger zu einer Kundgebung auf, auf der für den Krieg geworben wurde.

Als dann am 18. Juli sechs Abgeordnete in München für die Neutralität Bayerns stimmten, wurden sie im Kurier am folgenden Tag als „Schande der Nation“ abgekanzelt. In der gleichen Ausgabe befaßt sich ein Leitartikel mit der Frage „Deutsch oder Französisch?“ – selbstverständlich war die Antwort für den patriotischen Verfasser klar. Daß gerade diese Gretchenfrage für Altbayern schon seit dem 17. Jahrhundert eine durchaus berechtigte Existenzfrage war, wird hier nicht angesprochen; und es zeigt sich in diesen Tagen mit besonderer Deutlichkeit, daß den Nürnbergern die Belange des Reiches wesentlich näher lagen als die Sonderprobleme der Brüder in Bayern.

Auch im Anzeigenteil des Kurier wirft der Krieg seine Schatten voraus. Während die Kunstanstalt Serz ihre „Kriegskarten zur Orientierung bei bevorstehenden Kriegsereignissen“ empfiehlt, bringt der Wäschefabrikant Erlenbach „Für die Herren Militärs“ seine wollenen Unterhemden, Unterbeinkleider und gestrickten Socken in Erinnerung. Die patriotische Begeisterung äußert sich in Aufrufen zur Gründung von Unterstützungsvereinen für Kriegerfamilien, Verwundete und die im Felde stehenden Truppen. Als am 26. Juli der Auszug der Nürnberger Garnison bevorsteht, fordert Rechtsanwalt Beckh die Nürnberger Sänger auf, sich am Bahnhof einzufinden – „damit wir vereint dort singen das herrliche Lied ‚ ‚Die Wacht am Rhein‘“.

Durch den für Deutschland glücklichen Kriegsverlauf ergaben sich in der folgenden Zeit zahlreiche Gelegenheiten zur gemeinsamen Pflege des vaterländischen Liedgutes. Die im Stadtarchiv aufbewahrte (und hier noch heute weitergeführte) Stadtchronik berichtet getreulich von den jeweils fälligen Siegesfeiern, die mit Fahnen, Illuminationen, Kundgebungen und Dankgottesdiensten abgehalten wurden. Und als sich der greise General von Moltke am 2. November für ein Glückwunschtelegramm zu seinem 71. Geburtstag – das ihm 100 bedeutende Nürnberger Bürger ins Kriegshauptquartier geschickt hatten – mit den Worten bedankte, er fühle sich gerade durch diese Gratulation aus Nürnberg – „der Heimat des deutschen Königsgeschlechts der Hohenzollern“ – besonders geehrt, da hatte er wohl sicher den für die Nürnberger richtigen Ton getroffen.

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