Viele Kinder kennen keinen Vogelnamen

30.4.2010, 00:00 Uhr
Viele Kinder kennen keinen Vogelnamen

© Gerullis

Tut er aber nicht. Söder bleibt trocken, anders als der demonstrative Scheck über 10 000 Euro, den Vera Boser aus Versehen in das Biotop im Pegnitzgrund bei Mögeldorf hatte fallen lassen. »Nicht fallen lassen, getauft habe ich ihn«, berichtigt die Leiterin des Naturschutzbereichs im Umweltamt Nürnberg. Das macht Sinn, angesichts der Tragweite der Aktion.

Denn der Umweltminister und die Naturschutzbeauftragten läuteten gestern die zehnte »BayernTour Natur« ein. Der Anfang im Jahr 2001 war, wie so meist, ein zartes Pflänzchen: Gerade ein Naturerlebnis-Tag und 450 Veranstaltungen lockten die Naturfreunde damals nach draußen. Heute appellieren 4200 Aktionen über ein halbes Jahr verteilt an die Interessen und Grundkenntnisse der Großstädter.

Grundkenntnis? »Amsel, Drossel, Fink und Star, und die ganze Vogelschar«, sangen wir dereinst in der Grundschule. Das war nicht nur Freude an der Musik, da wurden unbeabsichtigt Grundsteine der Ornithologie gelegt. Und heute? »Sieben bis acht Prozent der Siebtklässler in allen Schultypen und überall in Bayern kennen keinen einzigen Vogelnamen«, stellt der Biologe Andreas von Lindeiner erschüttert fest. »Und mit den Bäumen ist es genauso. Gerade, dass die mal eine Eiche erkennen.«

Woran liegt das? »Das liegt daran, dass vieles, was vor 30 Jahren noch als Allgemeinwissen galt, in Vergessenheit gerät und heute als Spezialwissen in teuren Seminaren vermittelt wird«, vermutet der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Hubert Weiger. »In den Schulbüchern der fünfziger Jahre wurde fünfmal mehr Wissen über Tier- und Pflanzenarten vermittelt als in den heutigen.« Und noch schlimmer: »Die Bevölkerung weiß nicht mehr Bescheid über die Unverzichtbarkeit der Natur. Viele Menschen sind ökologische Analphabeten, sie nehmen Natur nur als Kulisse wahr, nicht aber als komplexes System.«

Wie aber bringt man dem erholungsbedürftigen Flaneur, dem neugierigen Kind, dem bierdurstigen Sonntagsausflügler und dem atemlosen Jogger die Natur näher? Dafür gibt es doch seit Jahr und Tag Erklärungstafeln? »Schon, aber die sind mit Texten und Graphiken oft überfrachtet«, stellt Hubert Weiger fest. Die Zeit zur gemütlichen Lektüre nehmen sich offenbar nur noch Lehrer und Bildungsbürger.

Also muss man die Tafeln so gestalten, dass sie Neugier erwecken. Rund 30 erneuerte Tafeln zieren auf 3,5 Kilometern den Naturerlebnispfad Pegnitztal Ost ab der Satzinger Mühle. Aber: Anstatt den Leser zuzutexten, geben die Tafeln kurze Erläuterungen und glänzen durch Transparenz. So liest der Spaziergänger nicht nur einiges übers Schaf und studiert die Zeichnung eines wolligen Wiederkäuers – wenn er Glück hat, erblickt er durch die durchsichtige Plexiglasscheibe im Hintergrund sogar eine ganze Schafherde.

»Das ist ja Nürnbergs großer Vorteil«, stellt Hubert Weiger fest: »Die Natur fängt nicht erst am Stadtrand an, sondern erstreckt sich als Flusslandschaft bis in die Innenstadt. Das muss man nutzen.« Die Gefahr der Unkenntnis über den biologischen Schatz innerhalb der Mauern führt zur Abwertung der Natur. So ist auch die geplante Abholzung von 280 Bäumen im Mittleren Schlossgarten inmitten von Stuttgart zu erklären. Bloß, weil die der unterirdischen Bahnstrecke im Weg stehen.

So ignorant ist die Jugend aber nicht. Lena Müller studiert Umweltsicherung in Triesdorf, Simone Steger und Christian Scheibe absolvieren ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr. »Das heißt, wir kümmern uns um Streuobstwiesen, kümmern uns um den Baumschnitt und die Entbuschung«, erklärt Simone Steger. »Und heute machen wir eine gute Figur für die Pressefotografen.«

www.tournatur.bayern.de

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