Picknick im Regen, ganz schön verwegen . . .

15.7.2005, 00:00 Uhr
Picknick im Regen, ganz schön verwegen . . .

© -

Der Himmel tröpfelt unanständig und gefällt sich in höchst stimmungshebenden Molltönen. Missmutiges Aussteigen, den Eingang zum Schlosspark vor Augen. Da kommt kein Mensch. Sicher nicht. Wer picknickt schon im Nassen! Die Luft ist prall vor Feuchtigkeit, zum Schneiden dick. Die Stimmung sinkt, bis . . . Nein! Gibt es auch Fata Morganen im Nassen? Da steht ein Mensch mit Korb. Direkt vor dem Eingang. Und noch einer. Und noch einer. Und die gehen rein! Nichts wie hinterher.

Boule, Kricket und zarte Cembalo-Klänge

Ein freundlicher Pförtner weist den Weg. Terrassenförmig entfaltet sich der Park, Grasstreifen, Blumenarrangements, ganz oben ein kiesbedeckter Bereich. Hier stehen auch Bistrotischchen und Stühle in freundlichem Weiß, irgendwo sogar Sonnenschirme. Die zerren und rollen wir heran — im Nu entsteht eine Picknicktafel, gespeist aus scheinbar unendlich großen Körben und Taschen. Wir rubbeln Flächen trocken, gelacht wird schon jetzt, man ist stolz, schlägt den Wolken, die uns in die Tassen gucken, ein Schnippchen. Juli-Wetter, du kannst uns mal.

„Boing!“ Moment mal. Was war . . . „Boing?“ Zugegeben, dieser Laut hat was Meditatives. Oder vielleicht doch — „Boing!“ — eher etwas Nerviges. Eine Klanginstallation stört unsere Picknick-Ströme, doch nebenan werden’s immer mehr und bald ist das fröhliche Geschnatter dominierend. Nebenan gibt es italienische Antipasti, Wein, Erdbeeren mit Schokoguss und — „gern!“ — schon geht’s los mit der Probiererei. Über die britische Einstellung der etwa 20 Picknick-Schwärmer im Gartenidyll und vor Schlösschenkulisse brauchte man sich nicht lange wundern: Die „Toastmasters“, regelmäßig im Amerikahaus zugange und allesamt Fans der englischen Konversation, begehen an diesem herrlich zwielichtigen Sonntag zufällig eines ihrer Freizeit-Events.

„Don’t worry — es wird schöner!“, frohlockt es vom Toastmaster-Tisch, das ist ansteckend. Die Sonne grinst tatsächlich durchs graue Einerlei — „Boing!“ — und die „Regenschirme“ dienen wieder zunehmend als Sonnenschutz. „In vier Wochen machen wir eine Pool-Party!“, freut sich Martin Schwandt. Ob das Wasser dann auch wieder von oben kommen wird? Die Toastmasters werden in jedem Fall ihren Spaß haben. Was bedeutet schon das bisschen Regen! Einige Picknicker spielen inzwischen Boule, andere Kricket auf der Wiese, im Hintergrund zarte Klänge: Eine Cembalistin übt — „Boing!“ — im herrlichen Hirsvogelsaal. „Das ist wunderschön hier, ideal für ein Picknick, das hat Charakter“, meint Tara Majumdar, „und das Wetter ist so herrlich gemischt!“ Leute aus zehn Nationen sind happy, inzwischen könnte man auch mit Decken auf der Wiese lagern.

Wenn die Sonne morgens lacht und der Andrang sonntäglicher Picknick-Williger groß ist, könnte es auf dieser städtischen Grün-Oase bei Zitronenmelisse, dottergelben Liliengewächsen, Obstbäumchen und Sanssouci-gestylten Buchs-Gewächsen sogar eng werden . . . Anabel Schaffer

Sonntag 10—17 Uhr Picknick im Tucher-Schloss-Garten: 5 / 2,50 Euro, ab 10 Personen 3,70 Euro p. P., Familienkarten 5,50 Euro (Kinder frei).

Keine Kommentare