Zu wenig Rock bei Rock im Park?

11.6.2013, 15:52 Uhr
Sympathisch sind sie ohne Frage, aber Fettes Brot locken wohl keinen Metal-Fan hinter'm Ofen hervor.

© Harald Sippel Sympathisch sind sie ohne Frage, aber Fettes Brot locken wohl keinen Metal-Fan hinter'm Ofen hervor.

Es ist ja schon lange nichts Ungewöhnliches mehr, dass man bei Rock im Park auch immer öfter Rap oder Popmusik auf die Ohren bekommt. Bands wie Söhne Mannheims und sogar Bushido waren zu Gast, bildeten jedoch immer die absolute Ausnahme auf den sonst mit Rock, Punk und Metal gespickten Spielplänen. Dieses Jahr prangern jedoch einige Gitarren-Jünger die zu große Anzahl an Konzerten von rockfremden Genres an. Dizzee Rascal, Boys Noize und Moonbootica haben zugegebenermaßen auch rein gar nichts mit der gewohnten Headbang-Musik zu tun. Turntables und Sprechgesang lösen gefühlt immer häufiger E-Gitarre und Schlagzeug auf den RIP-Bühnen ab. Wenn man nun plötzlich mehr Hände zu Hip-Hop „bouncen“ sieht als Metalheads im Moshpit, dann fragt sich der ein oder andere ja vielleicht auch zu Recht, was dieses noch mit einem ROCK im Park zu tun haben soll. Selbst der Abschluss-Act, der das Festival krönt, war nicht Iron Maiden oder Metallica, sondern Fritz Kalkbrenner, einer der derzeit bekanntesten Techno-DJs.

Andere sehen den Wandel eher entspannt. Der Musikmarkt unterliegt auch einem fortwährenden Wechsel und ein solches Großevent, wie Rock im Park eines ist, soll die breite Masse ansprechen und nicht nur die wenigen „Insider“. Trotzdem sei gesagt, dass es beispielsweise mit dem "Splash" oder "Melt" auch hip-hop- und elektrospezifische Festivals in Deutschland gibt. Ist ein gemischtes Line-up auf einer Veranstaltung langfristig überhaupt durchsetzbar? Bis zum Schluss war Rock im Park dieses Jahr nicht ausverkauft. 

Auch bei uns in der Redaktion gehen die Meinungen zur Entwicklung des Programms bei Rock im Park auseinander.

Tobi: "Ab dem Moment, an dem die Center-, Club- oder Alternastage voll und die Stimmung ordentlich ist, sind rockfremde Acts doch vollkommen okay. Der Zuspruch gibt dem Veranstalter recht. Und viele Rap- und Elektrokünstler passen ihre Sets ja auch etwas an, verändern die Arrangements. Wenn ein Act nicht ankommt und nicht besucht wird, wird er allzu schnell ja auch nicht mehr gebucht. Natürlich aber sollten Popacts bei "Rock im Park" nicht die Überhand nehmen - ein Rockfestival ist es dann ja doch noch irgendwie."


Katrin: "Was waren das noch für Zeiten, als auf Motörhead Metallica folgte auf der Centerstage. Als die Bierrülpser noch nach Rock'n'Roll rochen und die Lederkluften vor den Bühnen noch authentisch und nicht wie von C&A gekauft wirkten. Als Headbangen noch auf der Tagesordnung stand und nicht Schlauchbootfahren auf der "Crowd". Ich war dieses Jahr nicht auf Rock im Park, das gleich vorweg, aber als ich ein Zusammenschnitt im Fernsehen von Rock am Ring im Fernsehen gesehen habe, bekam ich Gänsehaut. Nicht, weil es so schön war, sondern weil es mich gegraust hat. Vor dem Auftritt von Imagine Dragons, die von einem Brausehersteller als Newcomer-Act des Jahres gepusht werden und live wie Synthiepop auf Drogen wirken. Oder Cro, auf dessen Musik sich die Feszivalbesucher in den Schlaf wiegten. Ich stehe auf Musik in Reinstform. Deshalb: LET THERE BE ROCK!"

Eike: "Ach, immer diese Traditionalisten! Da sollen wir jetzt bei jeder Band überprüfen, ob sie für RIP "rockig" genug ist? Sind Prodigy Rock? Oder ist das eine Band aus dem Electro-Feindesland? Jimi Hendrix und Jim Morrison sind schon lange tot! Rock ist nicht abhängig von der Musik, Rock ist ein Lebensgefühl! Rock ist emotional, provokant, freiheitsliebend und gegen den Mainstream der Radio-Popper und Volksmusik-Lollies. So manche Elektro- oder Hip-Hop-Band hat in meinen Augen mehr Rock im Blut als das eine oder andere Pseudo-Gitarrengeschwurbel, das sich als "Rock" verkauft. Ok, sowas wie die Söhne Mannheims sollte RIP nicht nochmal passieren... Andererseits haben die bestimmt dem einen oder anderen Rocker dabei geholfen, im Magen wieder Platz für neues Bier zu schaffen - hat auch was, oder?"

Achim: Bei aller Liebe: Abwechslung ja, aber das Line-up in diesem Jahr? Wo ist denn bitte der Rock hin bei RIP? Vom Metal mal ganz zu schweigen. Wer über 30 ist und auf Gitarren steht, brauchte diesmal gar nicht erst anreisen. Nix gegen die Pandabären-Front, aber RIP gleicht immer mehr einem Kindergeburtstag. Die Auswahl der Bands scheint ja eh nur noch Nebensache: Die meisten Tickets sind ja sowieso schon im Voraus weg. Die Marke zieht und die Masse nimmt's.

Björn: Letztens fuhr ich mit dem Auto von meinen Eltern zurück nach Nürnberg und hörte im Radio EinsLive, wo gerade eine Reportage über ein Festival in Barcelona lief. Die Reporterin war völlig enttäuscht, dass sich niemand verkleidet hatte oder sein Zelt lustig dekoriert hatte - "die sind wohl fast alle wegen der Musik gekommen". Bei Festivals wie Rock im Park geht es längst nicht mehr ausschließlich um Bands, sondern um das Event an und für sich. Dementsprechend bucht der Veranstalter Cro, Fettes Brot und Moonbootica, wo klar ist, dass die eine dicke Show abreißen werden - mal davon abgesehen, dass solche Acts wenig mit guter Musik zu tun haben und dass auch Rock im Park nur bedingt die guten Sachen im Rock bucht. Die Bierseligkeit bei den Toten Hosen oder Metallica war doch schon immer wichtiger als interessante und spannende Musik. Oder warum spielen die Queens Of The Stone Age und Sigur Ros in diesem Jahr beim Hurricane und nicht bei Rock im Park?

Hauke: Jajaja, früher war alles besser – die Musik ging noch richtig ab, das Bier war ohne Chemie, die Frauen hübscher und so gähn. Von wegen: Nichts war besser - oder gar rockiger: Schon 1997 beim ersten Nürnberger Rock im Park standen Otto Waalkes, Sabrina Setlur und die Fugees auf der Bühne. Und im Alternatent ließ Cosmic Baby die Techno-Jünger hopsen.  Rock im Park heißt Rock im Park weil Rock in den 80ern noch das große Ding war. Heute ist Rock im Park eine Marke. Sie steht für drei Tage Camping in der Stadt, geregelte Regellosigkeit, den gemeinsamen Rausch. Deshalb kommt ein großer Teil der 70.000 Festivalbesucher an den Dutzendteich. „Aaberaberaber...!“, rufen da die schriftgläubigen Rocksalafisten. „Es heißt doch ROCK im Park und nicht SPASS im Park. Alles andere ist unrein.“ Kann schon sein. Ist aber egal.

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