Selbsterfahrungen bei der Blauen Nacht

21.5.2012, 07:11 Uhr
Selbsterfahrungen bei der Blauen Nacht

© Mateijka (2)/new5 (1)

FEUCHTFRÖHLICH: Dass mancher Besucher mit nassen Füßen durch die Blaue Nacht stapfte, lag dieses Jahr nicht am Wetter, sondern am Sprudelwerk von Jeppe Hein. Wenn es noch Beweise braucht, dass sich Spass und Schönheit in der modernen Kunst nicht ausschließen müssen, dann stand sein begehbarer Kunstbrunnen am Klarissenplatz vor dem Neuen Museum dafür. Selten, dass so zahlreiche lachende Gesichter auf einmal vor einem Werk verweilen. Ein spritziger Publikumsmagnet.

 

PREISTEUFLISCH: Die Kunstaktion von Milena Walter konnte sich für Besucher rentieren. Jeder, der versprach, drei Minuten lang im Kraft’schen Haus ganz intensiv an die Künstlerin zu denken, bekam fünf Euro ausbezahlt. Ein rotes Haarbüschel, ein Poträtfoto und ein Namensschild sollte auf die Sprünge helfen, während die Sanduhr lief und Kameras die Denkenden wie lebende Skulpturen filmten. Mit den Gedanken bei einer jungen Frau zu sein und auch noch dafür bezahlt zu werden war das eine. Das andere war freilich ein guter Gedankenanstoß zur „Käuflichkeit“ geistigen Eigentums.

Selbsterfahrungen bei der Blauen Nacht

FADENSCHEINIG: Beim „Kunstwettbewerb“ der Akademiestundenten, bei dem die Besucher der Blauen Nacht noch bis 29. Mai mit Stimmzetteln ihre Lieblingsbeitrag wählen können, fanden die interaktiven Stationen viel Zuspruch. Bereits im Treppenhaus des Parkhauses Sterntor stauten sich die Leute. Die Klasse für Gold- und Silberschmiede hatte am Oberdeck einen begehbaren Quader aus herabhängenden, filigranen Schnüren vorbereitet. Im reizvoll beleuchteten Fadenraum ging manch einer unerwartet auf Tuchfühlung mit anderen, die sich durch den Schnürchenwald tasteten.

UNGESCHICKT: „Der große Wurf“, der im Kunstbunker am Bauhof verheißen wurde, hatte insofern keine weite Flugbahn, als keine Minderjährigen hineindurften und die Wartezeit schon mal mit 20 Minuten angekündigt war. So kann man sich die Besucher bei einer Massenveranstaltung, noch dazu mit jungen Leuten im Publikum, natürlich vom Leib halten. Auch an der Pegnitz nahe der Wöhrder Wiese suchte manch einer die als „Nervenkitzel“ angekündigte Installation mit Bällen über dem „Gedanken“-Fluss vergeblich. Die Sache war aus statischen Gründen kurzerhand abgeblasen worden. Dafür hatte an selber Stelle jemand ein Bushaltestellenschild in die Pegnitz geworfen. Die Shuttle-Flotte zur Blauen Nacht verkehrte aber freilich nur zu Land.

HÖRTEST: Ein Lob gebührt dem Klangkünstler Florian Tuercke, der die akustischen Schwingungen rund um die Lorenzkirche in das dezent ausgeleuchtete Gotteshaus brachte. Der sphärische Sound von Saiten wurde stündlich zu einer Kerzeninstallation vor dem Altar mit Texten von Hans Sachs durchsetzt. Ein Erlebnis, das Ort und Zeit durchdrang.

Selbsterfahrungen bei der Blauen Nacht

SEHTEST: Kaum Ehrfurcht, eher Ratlosigkeit zeitigte „ ... die Herrlichkeit ...“ von Sarah Erath und Monika Gropper im Festsaal des K4. Aber bitte: So schlimm steht es auch nicht um die bildende Kunst, dass man sie als verschwommene Worthülsen an die Decke projiziert versinnbildlichen muss. Die Lichtspiele anderer gerieten da packender. Am alten Arbeitsamt am Frauentorgraben verhalf Barbara Engelhard der tristen Fassade zu schrägen zeichnerischen Fantasien. In der Katharinenruine entfachte Kurt Laurenz Theinert und Fried Dähn ein oft scharfkantiges Lichternetz. Im Innenhof des Rathauses ließen fünf junge Künstler in die Fenster der Kunstgeschichte wie auch diverser Nachbarhäuser blicken. Eine gelungene sinnliche Symbiose aus Malerei, Fotografie und Film wiederum bescherte Tobias Wyrzykowski im Pellerhaus – wenn man sich weg von den „Massenströmen“ wagte. Am Egidienplatz war es im Dunkeln vergleichsweise menschenleer.

HUMORTEST: Manchen geistigen Vogel schoss der Riesencomputer im Rathaus ab, der zwar von Sabine Raab war, aber auch von Walt Diesneys Daniel Düsentrieb hätte stammen können. Das Rechengerät war als „Superhirn“ konzipiert. Man konnte Fragen zu Gott und der Welt eingeben, dann ratterte es ein wenig und dann spukte die Maschine Antworten aus. Auf die Frage „Wann komme ich heute nach Hause“ antwortete der Computer „Wenn du bereit dafür bist“. Wer wissen wollte, warum es „hier so nach Waffeln riecht“, erhielt gesagt: „Wo Rauch ist, ist auch Feuer.“ Und eine weitere brennende Suche nach einer Erklärung hatte mit dem gerade zu Ende gegangenen Champions-League-Spiel des FC Bayern München gegen Chelsea zu tun: „Warum haben die Bayern verloren?“, wollte da ein junger Fußball-Fan wissen. „Aus faulen Eiern werden keine Küken“ verklausulierte der Computer siebenschlau.

 

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