Vom Bienenflug zum Weltraumflug

10.7.2010, 00:00 Uhr
Vom Bienenflug zum Weltraumflug

© Ute Fürböter

Das Pfinzingschloss ragt hinter dem Zeidelmuseum auf. Das Gebäude mit der imposanten Fachwerkfassade gehörte früher zum Besitz der jeweiligen Schlossherren. Erbaut im 17. Jahrhundert, diente es zunächst als Zinshäuschen. Später gehörte das Haus zu einem landwirtschaftlichen Anwesen. 1922 erwarb es eine Familie Hutzler, seitdem sprechen die Feuchter vom „Hutzlerhaus“.

Seit 1984 hat das Zeidelmuseum darin sein Domizil. Es gilt als eines der schönsten Imkermuseen in ganz Deutschland. Doch Achtung! Nur sonntags zwischen 13.30 und 17.30 Uhr kommt man hinein (Eintritt: 3 Euro). Jederzeit willkommen sind Gruppen – vorausgesetzt, sie haben ihr Kommen rechtzeitig angemeldet unter 09128/12184. Am Apparat ist dann der erste Vorsitzende des Feuchter Imkervereins, Wolfgang Mittwoch. Hauptamtlich Apotheker, ist er ehrenamtlich Museumsführer aus Leidenschaft.

Der zweite Vorsitzende Roland Adelhardt steht ihm darin nicht nach. „Mindestens eine Stunde“, rät der Feuchter Imker, „sollte man für den Rundgang durchs Zeidelmuseum einplanen.“ Dafür ist man hinterher wesentlich schlauer. Kleine Kostprobe: „Zeideln“ bedeutete, die Honigwaben aus dem Bienenstock herauszuschneiden. Oder: Feucht im Nürnberger Reichswald galt jahrhundertelang als eines der bedeutendsten Imkerzentren Deutschlands. Der Wald selbst wurde schon 1266 in einer Urkunde als „des Kaisers und des Reichs Bienengarten bezeichnet.

Ohne Feuchter Honig keine Nürnberger Lebkuchen

Schließlich: Ohne den Feuchter Honig wären Nürnberger Lebkuchen undenkbar gewesen. Aus ganz Europa stammen die Ausstellungsstücke. Natürlich kann man auch echten Feuchter Honig kaufen. Außerdem gibt es Honigbonbons, Met, also Honigwein, und Honiglikör. Nicht alle Köstlichkeiten stammen vom Feuchter Imkerverein. Wie auch? Er zählt um die 50 Mitglieder.

Vom Bienenflug zum Weltraumflug

Wir passieren die Gemeindebücherei, dahinter biegen wir rechts ab zum Pfinzingschloss. Ludwig Pfinzing ließ es um 1460 als Wehrbau mit Wassergraben errichten. Sein heutiges Aussehen erhielt der repräsentative Bau bereits 1562. Lang war die Reihe seiner Besitzer, bevor es 1943 Feuchts späterer Ehrenbürger und Raumfahrtpionier Prof. Dr. Hermann Oberth kaufte. Auch deshalb, um im ersten Obergeschoss ein Raumfahrtmuseum einzurichten. Das ist inzwischen ins frühere Torwärterhaus umgezogen. Dorthin gehen wir nun, denn was sollen wir bei der „Fischer Planen und Bauen Gmbh“? Die residiert nämlich jetzt in dem efeuumrankten altehrwürdigen Gemäuer.

"Vater der Raumfahrt" wird Hermann Oberth (1894–1989) genannt. Das Museum in der Pfinzingstraße 12/14 trägt seinen Namen. Der Besuch ist ein Muss für Technikbegeisterte. Hier finden sie auf 160 Quadratmetern faszinierende Originale, Modelle, Text- und Bildtafeln sowie Leihgaben aus der amerikanischen, sowjetischen und europäischen Raumfahrt. Zu bestaunen ist Oberths erster Raketenmotor für flüssige Treibstoffe aus dem Jahr 1929, die sogenannte „Kegeldüse“. Ebenso ein russischer Kosmonautenanzug, der Bordanzug des deutschen D1-Astronauten Ernst Messerschmid und die dritte Stufe der Trägerrakete „Europa 1“

Im Obergeschoss lockt das Raumfahrtkino mit einer spektakulären Auswahl von Filmen rund ums Thema – auch das ein Verdienst der insgesamt 90 Mitglieder vom Oberth-Raumfahrt-Museumsverein. Apropos: Die Museumsführung ist im Eintrittspreis von 3,50 Euro (Erwachsene) beziehungsweise 2,50 Euro (Kinder) inbegriffen. Regulär geöffnet ist Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr.

Tipp: Wer die zweistündige Sonderführung „Erlebnis Raumfahrt“ nebst Experimenten mitmachen möchte, sollte sich anmelden (09128/3502). Vielleicht eine Idee zum nächsten Kindergeburtstag?

Guter Rat von Künstlerhand

Uns schwirrt der Kopf noch, als wir die Pfinzingstraße überqueren. Dankbar wechseln wir ins Kontrastprogramm: Natur pur am munter murmelnden Gauchsbach. Vorher haben wir die Brücke überquert und sind scharf rechts abgebogen. Nun folgen wir dem Leutschacher Weg am Bach entlang. Vor einer alten Weide stehen zwei Säulen, jede von einem Schneckenhaus gekrönt. Der Feuchter Bildhauer Reinhard Eiber hat einen frommen Wunsch in Stein gehauen. Nämlich: Gehe mit Zeit und Ruhe durch die Landschaft und lasse sie auf dich wirken!

Hier und heute tun wir genau das. An der Weggabelung stehen ein Tisch und Bänke aus Holz, dort legen wir eine Verschnaufpause ein. Von der anderen Seite des Bachs leuchtet sattgelb der Lehrbienenstand, den der Zeidelmuseumsverein betreibt. Wenn wir den Kopf ein bisschen drehen, sehen wir den Kirchturm von St. Jakob mit seinen typischen vier Scharwachttürmchen. Daneben Fachwerkhäuser, davor eine große üppige Wiese. Wir haben das Gefühl, im Urlaub zu sein. Irgendwann treibt uns die Neugier aber doch weiter.

Um zum Tucherschloss zu kommen, biegen wir am Kunstwerk links ein. Der sacht ansteigende Pfad führt rechts vorbei am alten Friedhof, links entdecken wir architektonisch interessant anmutende Häuser. Diese Wohnungen hat der Markt Feucht eigens für seine älteren Bürger gebaut. Der gepflasterte Weg mutet privat an. Wir laufen trotzdem weiter, biegen links um die Hausecke, gehen an der nächsten Ecke rechts – und richtig: Da ist das Schloss, das uns noch gefehlt hat!

Zuerst wollen wir in den sanierten Barockgarten. „Ein Schmuckstück“, hieß es. Wir finden auf überschaubarer Fläche sieben ordentlich abgezirkelte Grasflecken, zum Teil eingefasst mit Buchsbaum, Hainbuchenhecken, den alten, längst trockenen Schlossbrunnen und Bänke. Kein Rosenbusch, nicht mal ein Gänseblümchen. Vermutlich stilecht, aber anheimelnd?

Lieber Bier- als Barockgarten

Der Biergarten vor dem Schloss dagegen hat was. Er gehört zum Restaurant „Schlosswirt“ (geöffnet Dienstag bis Freitag von 11.30 bis 14.00 Uhr und wieder ab 17.30 Uhr, Samstagnachmittag nach Vereinbarung, sonntags und feiertags durchgehend ab 11.30 Uhr).

Über der hölzernen Flügeltür verbleicht die Inschrift „Nürnberger Hof“. Doch sonst ist das Tucherschloss ohne Makel. 1590/91 hatte es der Nürnberger Patrizier Herdegen IV. Tucher als Altersruhesitz erworben. Vier Jahrhunderte später kaufte es der Architekt Fred Brunner mit seinem Partner und einem Schweizer Kaufmann. Das war die Rettung für den mittlerweile baufälligen Herrensitz. So bekam er sogar seine vier Ecktürme wieder. Firmen haben jetzt im Schloss eine Bleibe, weitere können sich einmieten.

Gotisches Gewölbe überstand Luftangriff

Wir biegen nach links ab auf die Hauptstraße. Durch den Laubengang am Mesnerhaus links (geöffnet ab 9 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit) gelangen wir zur Evangelisch-Lutherischen Kirche St. Jakob. Es ist unsere letzte Station. Aber hier hat Feuchts Geschichte angefangen. Die erste Erwähnung geht auf das Jahr 1190 zurück. Damals weihte der Bischof von Eichstätt eine Kapelle, die an der Stelle der heutigen Kirche stand. Es blieb im Dunkeln, wann genau mit dem Bau einer größeren Kirche begonnen wurde. Der Altarraum im unteren Teil des Turms ist das einzig erhaltene Bauteil aus der Zeit des ausgehenden Mittelalters. Auch das gotische Kreuzrippengewölbe ist noch original. St. Jakob wurde 1943 bei einem Luftangriff getroffen. Die Rekonstruktion erfolgte 1950/51.

Sieh, das Gute liegt so nah

Über den Kirchhof und durch die kurze Jakobsgasse kommt man im Nu zum Rathaus, wo der Drei-Schlösser-Rundweg begann. Nach Hause oder einkehren, das ist jetzt die Frage. Nobel sieht das griechische Restaurant „Istoria“ gleich nebenan aus (geöffnet von 11.30 bis 14.30 sowie von 17.30 bis 0.30 Uhr, Dienstag Ruhetag). Doch in der Pizzeria „El Pomodore“ am Marktplatz (geöffnet Montag bis Freitag von 10 bis 24 Uhr, Samstag von 14 bis 24 und Sonntag von 14 bis 23 Uhr) kann man draußen sitzen. Es ist nicht weit bis dahin. Allerdings liegt gegenüber der Gasthof Bernet. Da gibt es traditionelle deutsche Küche (geöffnet ab 9 Uhr, Freitag Ruhetag). Diese Möglichkeiten! Überhaupt bereuen wir den Ausflug nach Feucht nicht. Uns kommt nun sogar Goethe in den Sinn: „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.

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