"Birth of a Nation": Prediger wird zum Rebellionsführer

13.4.2017, 08:00 Uhr

© Fox

Die Finger des Jungen gleiten andächtig über die Buchrücken, die sich in der Bibliothek der Südstaatenvilla aneinanderreihen. "Diese Bücher sind nur für Weiße", sagt die Dame des Hauses mit säuselnder Stimme zu dem achtjährigen Sklavensohn. "Sie sind voller Dinge, die ihr Schwarzen nicht verstehen könnt". Der kleine Nat Turner hat sich selbst heimlich das Lesen beigebracht. Als die Frau des Plantagenbesitzers das herausbekommt, beschließt sie ihn zu unterrichten.

Aber das Curriculum für das schwarze Wunderkind bleibt auf ein einziges Buch beschränkt: die Bibel. Als Erwachsener predigt Nat (gespielt von Nate Parker selbst) jeden Sonntag für die anderen Sklaven Trost, Geduld und Zuversicht: "Wartet auf den Herren. Senkt den Kopf in Andacht". Dass die Geduld der Sklaven nicht ewig andauern wird, bekommen die weißen Baumwollfarmer 30 Jahre vor dem amerikanischen Bürgerkrieg immer mehr zu spüren. Gerüchte von Unruhen machen die Runde. Und so wird der schwarze Prediger zu den Gütern im ländlichen Virginia geschickt, um die Gemüter der Sklaven mit Bibelzitaten zu beruhigen. Die Gräueltaten, die er dort zu sehen bekommt, öffnen ihm die Augen und er beginnt die Bibel anders zu lesen.

"Birth of a Nation" ist als großes, historisches Epos aus der Sicht der Sklaven angelegt, die hier nicht zu passiven Opfern stigmatisiert werden. In einem durchaus konventionellen Erzählmodus schildert Parker über einige Schlüsselerlebnisse hinweg die Reifung des christlichen Predigers zum Anführer einer Revolte.

Die Bilder von den Gräueltaten weißer Sklavenhalter werden sich genauso ins filmische Gedächtnis einbrennen, wie die der Aufständischen, die mit dem Beil die Plantagenbesitzer und deren Familien im Schlaf umbringen, oder die lange Kamerafahrt durch einen Wald voller gehängter schwarzer Männer, Frauen und Kinder nach dem Scheitern der Rebellion. Es sind Bilder, die ihr Echo finden in gegenwärtigen Nachrichtensendungen, die von Rassenunruhen und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner erzählen.

Gekränkte Ehre

Zu den größten Schwächen des Films gehört jedoch der Umgang mit sexueller Gewalt. Für Nat Turner werden die Vergewaltigung seiner Frau und die sexuelle Versklavung der Frau eines Freundes zum entscheidenden Handlungsmoment. In der Darstellung geht es dabei weniger um das Leid der betroffenen Frauen als um die gekränkte Beschützer-Ehre der Ehemänner, die zur Tatenlosigkeit verdammt sind.

Mit diesem sehr maskulinen Blick auf sexuelle Gewalt gleitet "Birth of a Nation" dann im letzten Drittel in die Gefilde eines konventionellen Rachethrillers, womit er sich und seinem Anliegen keinen Gefallen tut. (USA/120 Min.)

Verwandte Themen


Keine Kommentare