"Das Familienfoto": Sehnsucht nach Saint-Julien

16.5.2019, 09:00 Uhr

© Alamode

Die französische Autorenfilmerin Cécilia Rouaud fügt der Reihe nun ihr tragikomisches Ensemble-Stück über eine in Paris versprengte und vier Generationen umfassende Familie hinzu.

Anlass dafür, dass sich deren Mitglieder überhaupt wieder einmal treffen, ist Opas Beerdigung. Und die bringt zwangsläufig mit sich, dass sich jetzt irgendwer um die sanftmütige Oma kümmern muss, deren Demenz sie zuverlässig vor den Unbilden dieser Welt abschirmt. Sie bekommt nicht mit, wie sehr ihr Enkel Mao, ein Computerspielentwickler, unter seiner Schwermut leidet und wie seine alleinerziehende Schwester Gabrielle um ein gutes Verhältnis zu ihrem Sohn ringt. Elsa, die zweite Enkelin, verzweifelt gerade wütend an ihrem unerfüllten Kinderwunsch, während sich herumspricht, dass die junge Freundin ihres 60-jährigen Vaters schwanger ist.

Emotionaler Aufruhr in derart hoher Konzentration wirkt zwangsläufig wie am Reißbrett konstruiert. Das ist auch in "Das Familienfoto" nicht anders. Die Regisseurin gibt jedem Einzelnen der kleinen Dramen immer wieder Raum, was mitunter etwas ermüdend ist. Doch sie ist klug genug, den Ball flach zu halten. Man sieht hier keine hysterischen Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, weder ausgemachte Machos noch Waschlappen – mithin keine Klischee-Figuren. Entsprechend leise kommt der Humor daher.

Geredet wird in dieser Geschichte, in der sich die Familienbande kreuz und quer verstricken, dagegen umso mehr – wie im richtigen Leben oft aneinander vorbei und selten über die wahren Gefühle. Wie ein Mantra wird dabei immer wieder ein Dorf namens Saint-Julien beschworen. Warum die Großmutter, um die alle Familienmitglieder wie um ein Gravitationszentrum kreisen, ausgerechnet dort sterben will, und warum ihre Enkel sie an diesen Sehnsuchtsort begleiten wollen, kristallisiert sich nach und nach heraus. Die Auflösung ist denkbar unspektakulär und hängt mit einem Familienfoto, einer Aufnahme aus glücklichen gemeinsamen Zeiten, zusammen.

Die Schauspieler, besonders Camille Cottin als Sozialarbeiterin Elsa und die sehr aparte Popsängerin Vanessa Paradis als Gabrielle, die das Geld für sich und ihren Sohn als Goldstatue an der Seine verdient, sorgen für viel Empathie. Am Ende kommen sich alle Figuren näher, doch ein einfaches Happy End gibt es nicht. Dafür eine authentisch nette Idee zum Schluss. (F/98 Min.)

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