"Die andere Seite der Hoffnung": Gute Taten, wenig Worte

30.3.2017, 08:00 Uhr

© Pandora

"Du bekommst nie eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen", heißt es in einem weisen Spruch. Der erste Eindruck, den der junge Syrer Khaled und der frisch gebackene Restaurant-Chef Wikström zwischen Mülltonnen in einem Hinterhof in Helsinki aufeinander machen, ist heftig und gar nicht gut. Ihre Bekanntschaft beginnt mit einer Prügelei, bei der sich die beiden die Nasen blutig schlagen. Die nächste Szene, in der sie an einem Tisch sitzen und Khaled nicht nur Kartoffelbrei löffelt, sondern auch einen Küchenjob in Wikströms Wirtshaus bekommt, steht für den ganzen Film: "Die andere Seite der Hoffnung" ist eine Geschichte von zweiten Chancen und ein märchenhaftes Plädoyer für Solidarität.

Der Flüchtling Khaled kommt als blinder Passagier auf einem Frachter nach Finnland, er stellt einen Asylantrag - und wird nach einer unterkühlten Befragung prompt abgelehnt. In seiner Heimatstadt Aleppo sei es nicht gefährlich genug, befindet der entscheidende Richter. Kaurismäki ist zynisch genug, um das mit TV-Bildern aus Syrien zu kontrastieren, die genau das Gegenteil zeigen. Khaled, der verzweifelt seine Schwester sucht, taucht vor der Abschiebung unter. Und trifft - siehe oben - auf Wikström.

Der ist seinerseits auf dem Sprung in ein neues Leben. Unnachahmlich und typisch Kaurismäki ist die letzte Szene seiner Ehe: Er legt Schlüssel und Ehering auf den Tisch, seine mit Lockenwicklern gekrönte Frau wirft den Ring zu den Kippen in den Aschenbecher und schenkt sich Wodka ein. Dabei fällt kein einziges Wort. Ohnehin wird auch in diesem Kaurismäki-Werk nur geredet, wenn es unbedingt nötig ist. Und nicht nur beim Pokerspiel, wo Wikström das nötige Kleingeld für sein Restaurant gewinnt, verzieht kaum einer die Miene. Die Charaktere - gespielt von Schauspielern, die zum Teil aus früheren Kaurismäki-Filmen vertraut sind - werden einem trotz ihrer Verschrobenheit sympathisch. Und auch wenn keiner von ihnen offen seine Gefühle zeigt, spürt man an kleinen Gesten, dass hier Emotionen und Empathie im Spiel sind. Etwa wenn Khaled, der von der Polizei gesucht und von tumben Rassisten verfolgt wird, von der Restaurant-Belegschaft gut versteckt wird und einen gefälschten Pass bekommt.

Lauter kleine Leute sind hier unterwegs, die ihren eigenen Stellenwert nicht allzu hoch einschätzen, aber dennoch nach einem bescheidenen, nicht unbedingt materiellen Glück streben. Kaurismäki hat sie wie gewohnt in einem bis hin zur den Farben sorgsam komponierten, sehr reduzierten Retro-Setting versammelt - mit 60er-Jahre-Autos, Schreibmaschine und Tastentelefon. In der Kombination mit der gerade hochaktuellen Flüchtlingsrealität wirkt die minimalistische Szenerie wie aus der Zeit gefallen. Doch das gibt dem Film auch einen Teil seiner Leichtigkeit. Der coole Soundtrack aus finnischem Rock, Blues und Folklore verstärkt wirkungsvoll die jeweiligen Stimmungen.

Mit Melancholie und seinem typischen lakonischen Humor zeigt der finnische Regisseur, der hier durchaus schwarzweiß zeichnet, sehr deutlich, auf wessen Seite er steht und vorauf seine Kritik zielt. Dennoch atmet sein wunderbarer Film eine ganze Menge Zuversicht und Menschlichkeit. (FIN/100 Min.)

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