"Die Wunderübung": Nicht ohne- und nicht miteinander

28.6.2018, 08:00 Uhr

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Praktischerweise agiert Aglaia Szyszkowitz auch im Leinwandformat als die auf Sturm gebürstete Historikerin, Mutter und Gattin Joana, die ihren langjährigen Gemahl Valentin (Devid Striesow) zur Paarberatung schleppt. Der Weg dorthin wird streng getrennt zurückgelegt, er zeigt derweilen guten Willen und mannhafte Selbstdisziplin. Sie gibt die Streibare am Ende ihrer Kräfte, die bei ihrem Valentin eigentlich längst Hopfen und Malz verloren glaubt. Der Paarberater (Erwin Steinhauer) soll nun die beiden aus ihren Schützengräben zerren, wobei ihm offenbar kein psychotherapeutischer Firlefanz zu waghalsig erscheint.

Es darf gelacht werden, und zwar nicht nur über die ehelichen Streithähne, die ihre ollen Kamellen nun erstmals einem Fachmann präsentieren wollen. Zweiter Witzelieferant ist der behäbige Therapeut, der sich mit Joghurt bekleckert, während seine Klienten beim Insichgehen mit geschlossenen Augen nichts von seinem prosaischen Gezappel mitkriegen. Auf der Bühne mag das einen Lacher wert sein, auf der Leinwand nicht.

Im Gegenteil, man bekommt etwas Mitleid mit den Schauspielern, die sich redlich bemühen, eine akzeptable Fallhöhe zwischen Eheleid und darunter lauernder Komik herzustellen. Devid Striesow kann das prima, ohne zu dick aufzutragen, bei Szyszkowitz verliert sich die Beißlust gerne in tränenseligem Blick, wenn sie an ihr früheres Turteln beim Tauchen denkt.

Als dann trotzdem alles nichts hilft, zündet der Therapeut seine "paradoxe Intervention", wie er später seiner Gattin berichtet. Die besteht darin, nach einer Pause seinen Klienten vorzuschlagen, sich endlich zu trennen. Ziemlich gefühlskalt vorgetragen, jedoch mit einem trauerverhangenen Blick, der eigene Probleme signalisiert. Und da nichts so inspiriert wie das Leid anderer Leute und nichts so zusammenschweißt wie die als Hilfsbereitschaft getarnte Neugier, drängt die zahlende Kundschaft ihren Psychodoktor, sich ihnen zu öffnen und sein Problem zu schildern.

Das Publikum ahnt es längst: Herr Doktor ist verlassen worden, und zwar – laut Trennungsmail – weil er zu gut und tolerant war. Er habe der Gattin "die Luft genommen" mit seiner Perfektheit.

Seine Klienten sind begeistert. Sie hacken zwar pausenlos aufeinander rum, aber ist dies nicht ein ungleich größerer Beweis der Zusammengehörigkeit als jenes bitterkalte Gutsein? Die beiden drehen den Spieß um und hetzen den Therapeuten durch die Praxis, damit er endlich einen Komm-zurück-Anruf an seine Frau tätigt. Auch das vermutlich ein Knaller auf der Bühne.

Regisseur Michael Kreihsl bleibt jetzt noch Verwertung Nr. 3 als Musical. (A/92 Min.)

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