"Don’t worry...": Das Leben nach den Alkohol-Exzessen

16.8.2018, 08:00 Uhr

© NFP

Den Golden Globe als bester Hauptdarsteller hat Joaquin Phoenix schon für seine Rolle als Country-Legende Johnny Cash in "Walk the Line" bekommen. Im Science-Fiction-Drama "Her" überzeugte er als schüchterner Mann, der sich in die "Stimme" seines Computers verliebt, und der Auftritt in Ridley Scotts Monumentalwerk "Gladiator" verschaffte ihm eine Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller.

Wie ungemein wandelbar sein Spiel ist und wie lebensecht er eine Rolle ausfüllen kann, zeigt sich nun auch in "Don’t worry, weglaufen geht nicht". Der eigentlich dämliche Titel birgt einigen Sarkasmus, schließlich dreht sich die Geschichte um den Karikaturisten und trockenen Alkoholiker John Callahan aus Portland, Oregon, der nach einem Autounfall querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. Andererseits ist der Satz auch treffend, denn Callahan selbst sparte in seinen Cartoons nicht mit bissiger Ironie.

Das Leben hat es lange nicht gut gemeint mit dem Zeichner. Dass ihn seine Mutter gleich nach der Geburt an Ordensschwestern abgegeben hat, ist das eine. Dass er nach dem im Suff verursachten Unfall seine Bewegungsfreiheit eingebüßte, das andere. Mit den Schicksalsschlägen rechtfertigt er seine fatale Sucht — bis er eines Tages zur Besinnung kommt und sich den Anonymen Alkoholikern anschließt.

Für Gus Van Sant ("Milk", "Psycho", "Good Will Hunting"), den Spezialisten für Außenseiter, ist Callahan (1951-2010) eine willkommene Figur. Dessen Autobiografie dient ihm allerdings nur als loser Leitfaden. Statt die Lebensstationen eine nach der anderen abzuhandeln, bricht er die Chronologie auf. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Callahans Kampf gegen die Sucht mit dem spirituellen "Zwölf Schritte"-Programm der Anonymen Alkoholiker. Von hier aus springt der Film in unzähligen Vor- und Rückblenden durch das Leben des Protagonisten. So kommt Bewegung und Abwechslung ins Spiel, aber auch eine etwas nervige Fahrigkeit, in der sich vielleicht Callahans chaotischer Seelenzustand spiegeln soll.

Phoenix spielt den Pegel-Säufer genauso überzeugend wie den trockenen Alkoholiker, der immer mehr über sich selbst lernt und schließlich selbstbewusst seine Zeichnungen veröffentlicht. Die Kamera ist ihm dabei immer dicht auf den Fersen — auch wenn er im elektrischen Rollstuhl wie ein Getriebener ohne Halt viel zu schnell durch die Gegend braust. Da mutet er dann selbst wie eine Karikatur an — wie mitunter auch die anderen Figuren, die abgesehen von dem Jesus-gleichen AA-Therapeuten eher oberflächlich gezeichnet sind.

Dazwischen baut Van Sant immer wieder langatmige Szenen ein, die wie Füllmaterial wirken. Dagegen verläuft die Entwicklung des Helden oft allzu sprunghaft. Dass der Film am Ende offensiv auf Callahans Aussöhnung mit sich und dem Schicksal setzt, deutet sich schon in den ersten Bildern an. Zu der herben Säuferkarriere will das Wohlfühl-Finale nicht so recht passen. (USA/113 Min.)

Verwandte Themen


Keine Kommentare