"Leave No Trace": Auf dem eigenen Weg

13.9.2018, 08:00 Uhr

© Sony

Auch wenn ein Leben jenseits der Zivilisation seinen Tribut fordert, erscheint die Situation von Will und seiner jugendlichen Tochter Tom fast idyllisch. Tief in den Wäldern von Oregon haben die beiden ihr Lager aufgeschlagen. Sie sind ein eingespieltes Team, das sich ohne viele Worte versteht, in der Natur genießen sie jede Freiheit und finden fast alles, was sie zum Leben brauchen. Doch die Idylle ist brüchig.

Wer die amerikanische Aussteiger-Tragikomödie "Captain Fantastic" gesehen hat, gerät bei "Leave No Trace" anfangs leicht auf die falsche Spur. Doch in dem Vater-Tochter-Drama von Debra Granik ("Winter’s Bone") geht es nicht vorrangig um eine ökologisch korrekte Existenz fern von zivilisatorischen Einflüssen. Vielmehr sieht Vietnam-Veteran Will (Ben Foster) für sich und Tom (Thomasin Harcourt McKenzie) schlicht keinen Platz in der Gesellschaft. Man erfährt nicht viel über seine genauen Beweggründe, auch nichts über den Tod von Toms Mutter. Das sind hier nicht Graniks Themen. Sie interessiert sich vielmehr für die enge, fast symbiotische Beziehung zwischen Vater und Tochter, den Wert einer Sozial-Gemeinschaft, und dafür, wieviel Selbstbewusstsein es braucht, um seinen eigenen Weg zu gehen.

Das große Drama braucht die Filmemacherin dafür nicht. Man hat irgendwie erwartet, dass Will und Tom in ihrem Wald-Versteck aufgespürt werden. Und tatsächlich wollen hilfsbereite Menschen die beiden wieder ins Sozialgefüge integrieren. "Sie müssen die Auflagen erfüllen, um unabhängig zu sein", erklärt eine Sozialarbeiterin — womit der Film ganz nebenbei ein gesellschaftspolitisches Paradox entlarvt. Und wenn das Außenseiter-Duo dann mit standardisierten Persönlichkeits-Tests auf seine psychische Verfassung untersucht wird, offenbart sich auch die Sinnlosigkeit solcher Verfahren.

Von all dem erzählt Granik in unaufgeregtem Ton und mit ruhigen Bildern. Als sich Tom zunehmend vom Lebensentwurf ihres geliebten Vaters entfernt, findet die Regisseurin auch dafür einfühlsame Szenen. Die Kamera ist dabei nah an den Hauptfiguren, die von Foster und der vielversprechenden jungen Neuseeländerin Harcourt McKenzie überzeugend und mit Zurückhaltung gespielt werden. Man muss nicht wissen, was Will im Krieg erlebt hat, es reicht zu wissen, dass er traumatisiert und mit seinem Problem ziemlich allein gelassen ist. Tom wird seinen einsamen Weg irgendwann nicht mehr mitgehen können und ihre eigene Entscheidung treffen. Insofern ist "Leave No Trace" auch ein Film über das Erwachsenwerden. (USA/ 109 Min.)

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