"Meine schöne innere Sonne": Suche nach dem richtigen Mann

14.12.2017, 09:00 Uhr

© Pandora

Isabelle ist Anfang fünfzig, frisch geschieden und gerade ohne zukunftsfähige Beziehung. Die attraktive, jung gebliebene Frau könnte jetzt ihr (stress-)freies und unabhängiges Single-Leben genießen. Doch dazu steht sie emotional zu sehr unter Strom und sich selbst im Weg. Juliette Binoche spielt diese Pariser Malerin und Mutter, die sich gerade in einer mittleren Lebenskrise befindet. Und sie spielt sie so, wie man es von Binoche kennt — als sehr weibliche, empfindsame Person und gleichsam als Gegenentwurf zu den kühlen Frauenfiguren, die ihre Kollegin Isabelle Huppert verkörpert.

Kind und Kunst scheinen im Alltag der Single-Frau nur eine Nebenrolle zu spielen — die zehnjährige Tochter taucht im Film genauso wie die Arbeit im Atelier nur in einer kurzen Szene am Rande auf. Soll heißen: Isabelle ist voll mit sich selbst beschäftigt — und mit der Suche nach Sex, Mr. Right und echter Liebe. Sie probiert die Männer aus wie andere vor dem Autokauf Probefahrten machen. Was nicht genau passt, wird aussortiert.

Mit Selbstbewusstsein, Selbstbestimmtheit und Souveränität hat das allerdings wenig zu tun. Zu hohe Highheels und zu kurze Miniröcke wirken wie eine Verkleidung für ihre Unsicherheit und innere Unruhe. Nach dem Sex kommt meist der Kater. Tränen fließen oft in diesem Film.

Kein Wunder, denn die Kerle, auf die sich Isabelle einlässt, benutzen sie in der Regel zur Ego-Erweiterung oder eben ausschließlich fürs Bett. Da ist ein Kotzbrocken von einem eitlen Bankier, ein in Trennung befindlicher Theaterschauspieler in der Sinnkrise oder ein unverbindlicher Beziehungsabenteurer — beim Zuschauer läuten die Alarmglocken immer etwas früher als bei der Protagonistin.

Als sie dann zu Etta James’ Jazzstandard "At last" in einem ganz normalen, einfachen Mann den potenziellen Märchenprinzen trifft (und der Film Kitsch und Ironie hübsch vereint), lässt sie ihn sich von einem selbsternannten Lebensberater aus dem Künstlermilieu ausreden — was alles tragisch ist, aber in manchen Momenten auch wirklich komische Seiten hat. Daneben kann diese Isabelle einem auch gehörig auf den Nerv gehen, weil sie die anstrengende Angewohnheit hat, die Dinge zu zerreden, ihren jeweiligen Partnern die Worte im Mund umzudrehen oder Fragen mit Gegenfragen zu beantworten.

Überhaupt wird unendlich viel gesprochen. Und zugespitzt geht es auch darum, wie quälend kompliziert und schwierig im emotionalen Aufruhr eine authentische, einfühlsame und zielführende Kommunikation sein kann. Und wie lästig Geschwätzigkeit. Damit ist der Film von der Lebenswirklichkeit mancher echter Paarbeziehungen womöglich gar nicht weit entfernt. Einmal kommt Isabelle selbst darauf, dass es oft angebrachter ist, einfach mal die Klappe zu halten: "Es tut gut, endlich mal aufzuhören mit all diesem Gerede", sagt sie zu ihrem aktuellen Lover — allein die Einsicht währt nicht lang.

Inspiriert ist "Meine schöne innere Sonne" von den "Fragmenten einer Sprache der Liebe" des französischen Philosophen Roland Barthes aus den 70er Jahren, einer Art Stichwort-Sammlung zum Thema Liebesbeziehung zwischen A wie Abhängigkeit bis Z wie Zärtlichkeit. Irgendwo dazwischen ist Isabelle eingeklemmt. Allein kommt sie da nicht raus. Deshalb sucht sie einen Wahrsager auf — und damit zaubert dieser Frauen-Film Gérard Depardieu aus dem Hut. Wieder einer, der viel redet. Sein Rat: Weitermachen, offen sein. Erzwingen lässt sich eh’ nichts. (F/B/94 Min.)

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