Telemark ist viel mehr als ein Skistil

17.11.2018, 08:00 Uhr
Der Moment, in dem das Skifahrerherz höher schlägt.

© Marie Zahout Der Moment, in dem das Skifahrerherz höher schlägt.

Schweißtreibende Aufstiege bleiben uns trotzdem erspart: Im Inneren des Berges führt eine Seilbahn auf den 1883 Meter hohen Gipfel, von dem aus man ein Sechstel Norwegens sehen soll. Mit eisigem Wind haucht die Natur hier oben jedem Respekt ein.

Die 1940 für eine Ski-Weltmeisterschaft geplanten Pisten wurden wegen des Zweiten Weltkriegs nie angelegt. Und die für Touristen geplante Kabelbahn im Inneren des Berges wurde schließlich von der norwegischen Armee während des Kalten Krieges fertiggestellt. So dauerte es Jahrzehnte, bis die ersten Skifahrer ihren Weg in Gondeln auf den Gaustatoppen fanden.

Heute ist einzig die Abfahrt im knöchelhohen Tiefschnee für ungeübte Skifahrer gewöhnungsbedürftig. Denn Pistenraupen fahren hier noch immer keine. Wer das Abenteuer dennoch wagt, wird mit puderleichtem Schnee in unberührter Natur belohnt. Und wem das immer noch nicht reicht, stellt sich auf Telemark-Skier.

Das Telemarken ist eine Technik, die im 19. Jahrhundert von Sondre Norheim entwickelt wurde. In Morgedal, rund 100 Kilometer vom Gaustatoppen entfernt, wuchs der Bauernsohn in der Telemark auf.

 Telemark ist viel mehr als ein Skistil

© Marie Zahout

Skifahren hat hier eine lange Tradition. Das altnorwegische Wort Ski bedeutet so viel wie "geteiltes Holz". Seit tausenden Jahren nutzen die Menschen hier Bretter als Transportmittel. Kein Wunder: Verwandelt sich Norwegen doch die Hälfte des Jahres in eine weiße Winterlandschaft. Auch die Hütte, in der Norheim gelebt hat und die heute noch am besten auf Schneeschuhen besichtigt werden kann, ist von Oktober bis April mit einer dicken Schicht Schnee bedeckt. Der Schlüssel für das schlichte Holzhaus hängt an einem Brett auf dem Parkplatz, frei zugänglich für jeden.

Der Freigeist Norheim machte sich einen Ruf als Skifahrer und -springer. Seine Holzski mit der Seilzug-Skibindung entwickelte er selbst. Seitdem gilt er als Pionier des modernen Skilaufs – obwohl seine Telemark-Technik heute nur noch von Liebhabern geschätzt wird. Bei dieser Technik sind nur die Spitzen der Skischuhe durch eine Bindung fixiert. Charakteristisch ist das Knien des Fahrers über dem Bergski. Bei jeder Kurvenfahrt wird dafür der Talski nach vorne geschoben. Die Ferse hebt sich von der Bindung ab. So sind selbst im Tiefschnee kurze Schwünge möglich.

Was die einen als krasses Oberschenkeltraining bezeichnen, nennt Robin Kraft Freiheit auf Skiern. Der 21-Jährige aus Lauf an der Pegnitz kommt regelmäßig nach Norwegen — so wie im letzten März, als er in Rjukan am Telemark Weltcup teilgenommen hat. Über eine Ausbildung zum Skilehrer ist er zu dem Nischensport gekommen. "Telemarken ist nicht so gefährlich und viel gelenkschonender als Ski alpin, weil der Fuß eben nicht in einer Bindung fixiert ist", sagt er und gleitet in geschmeidigen Bewegungen den Berg hinab.

Doch selbst auf den Pisten der Telemark gehören Telemark-Skifahrer zur Ausnahme. Ebenso wie deutsche Gäste. Denn noch gilt das Wintersportland Norwegen als Geheimtipp unter Mitteleuropäern. Der Weg scheint vielen zu weit und das Bier zu teuer.

Für alle, die aber keine Lust auf die oft überlaufenen Skiregionen Österreichs mit lauter Après-Ski-Musik schon am Vormittag und langen Schlangen an den Liften haben, ist Norwegen eine Alternative. Denn hier finden Skifahrer vor allem eines: Ruhe. Nachts laufen Rentiere über die präparierten Pisten, weil ihnen das dort leichter fällt als im hohen Schnee, und mit etwas Glück sind sogar Polarlichter zu sehen.

Die Telemark ist die größte Skiregion Norwegens mit acht Skigebieten. Das größte ist Rauland mit 41 Pisten und 20 Pistenkilometern für Ski alpin und 150 Kilometern für Skilanglauf. Der Tagesskipass kostet rund 40 Euro für Erwachsene. Es gibt Übernachtungsmöglichkeiten im Hotel (rund 200 Euro am Tag für das Familienzimmer mit Frühstück) oder in Ferienhäusern (rund 300 Euro pro Tag für vier Personen).

 Telemark ist viel mehr als ein Skistil

© Marie Zahout

Typisch für Skandinavien: In keiner Unterkunft fehlt eine Sauna, die die Norweger übrigens ausschließlich in Badebekleidung betreten. Weil das Land auf der einen Seite am Wasser liegt – bis auf Lillehammer sind alle größeren Städte am Meer – dominieren Fischgerichte auf den Speisekarten der Restaurants.

Beeindruckend ist die Überfahrt mit der Autofähre vom dänischen Hirtshals nach Langesund in Norwegen. Viereinhalb Stunden dauert die Strecke mit der ersten Kreuzfahrt-Fähre weltweit, die ausschließlich mit flüssigem Erdgas betrieben wird und bei meist hohen Wellenbergen nichts für schwache Mägen ist.

Schneller geht da eine Anreise mit dem Flugzeug nach Sandefjord. Von dort aus weiter mit dem Mietwagen, dem Überlandbus oder im Zug in eines der rund 200 Kilometer entfernten Skigebiete der Telemark.

Mehr Informationen:

www.visittelemark.com

www.fjordline.com

Beide haben diese Reise unterstützt.

 

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