Letzte Rettung für verzweifelte Partygäste

23.12.2008, 00:00 Uhr
Letzte Rettung für verzweifelte Partygäste

© Schamburek

Alkodrive ist ein Ein-Mann-Unternehmen. Mehmet Özel betreibt seinen Nachtlieferservice seit Anfang des Jahres. Vor knapp zwei Monaten hat er sich ein Lager in der Südstadt gemietet. Das Lager ist bis zur Decke mit Bierkästen, Schnapsflaschen, Zigaretten und Chips vollgestopft. Jetzt im Winter ist es kühl hier, Özel hustet. Die Idee mit dem Lieferservice kam ihm, weil er seine Tochter immer wieder wegen unangemeldetem Besuch zur Tankstelle schicken musste. «Wenn ich das brauche, vielleicht braucht es ein anderer auch», dachte er sich und meldete einen Lieferdienst als Gewerbe an.

Jetzt nimmt er gerade den ersten Auftrag des Abends entgegen: «Braucht circa eine halbe Stunde, zehn Minuten früher oder später, jawohl, danke, bis dann». Freitags und samstags ist die Nachfrage am größten. Die Stoßzeiten liegen zwischen 22 und 23 Uhr und zwischen ein und zwei Uhr früh. Zügig packt Özel die bestellte Ware in den Kofferraum. In letzter Zeit benutzt er seinen privaten BMW für die Transporte. «Der hat Navi», erklärt er.

Kälte und Faulheit beleben das Liefer-Geschäft

In der Straße des Kunden offenbart sich ein typisches Problem. Der Fahrer muss in Kundennähe parken ohne eine Strafe zu bekommen oder andere zu belästigen. Mutig stellt er jetzt seinen Wagen in eine Einfahrt.

Eric (22) hat für sich und seine Freunde einen Kasten Bier, Zigaretten und kleine Schnapsfläschchen bestellt. Er kauft hauptsächlich aus Bequemlichkeit bei Alkodrive, erklärt er. Er habe mit seinen Freunden auch schon andere Lieferservices ausprobiert. Sein Freund ruft lachend aus dem Hintergrund: «Weil wir faul sind!».

Im dunklen Hinterhof des nächsten Kunden muss Özel mit der Taschenlampe nach der Tür und den Klingelschildern suchen. Der Kunde hat Bier bestellt und ist ziemlich durch den Wind. Auch wenn er namentlich nicht genannt werden will, räumt er ein, dass er und sein Kumpel viel zu verpeilt sind, um selbst einkaufen zu gehen. Außerdem sei es Winter und kalt!

Laut Mehmet Özel von Alkodrive und Tobias Rostalski von Nach(t)schub kaufen die Kunden am liebsten Wodka, meistens zusammen mit einem Mischgetränk. Bier steht auf der Beliebtheitsskala an zweiter Stelle. Snacks werden häufig von Discogängern bestellt, die nachts um drei hungrig heimkehren und im Kühlschrank nichts mehr finden.

Fröhlicher Partylärm weist Mehmet Özel den Weg ins richtige Stockwerk. Franz (21) wartet schon auf die Jägermeister und ein paar Bier. Warum lässt er sich den Alkohol bringen und geht nicht selbst? «Weil es zu weit zur Tankstelle ist, und weil ich keine Lust hatte, ganz einfach.»

Fünfzehn Minuten später steht «der Retter auf Rädern» in Reichelsdorf vor der Tür von Steffen. Schallendes Gelächter dringt durch den Türspalt. Steffen (25) ist schon ein bisschen angetrunken, argumentiert aber ganz nüchtern. Er müsse ja beim Nachtlieferservice bestellen, denn zur Tankstelle müsste er mit dem Auto fahren und das sei eine Gefährdung für die Menschheit und für den Straßenverkehr.

Von den Einnahmen aus Alkodrive kann Mehmet Özel noch nicht leben. «Da muss ich länger durchhalten», sagt er entschlossen. Die Auftragslage in Nürnberg ist nicht ganz einfach, das weiß auch Sebastian Vasen. Bis vor zwei Jahren betrieb Vasen während seines Studiums mit zwei Freunden den Partyservice «Die Bringer». Die drei Studenten machten zwar kein Minus und konnten sich auch ein Lager und einen Kleintransporter leisten, «aber finanziell war das kein großes Ding», erinnert sich Vasen. Auch Tobias Rostalski von Nach(t)schub betreibt seinen Lieferservice nur nebenberuflich: «Nürnberg ist dafür die falsche Stadt.»

Als Mehmet Ötzel ins Lager zurückgekehrt, gesteht er, dass er sich anfangs überlegt hat, seinen Lieferservice in einer anderen Stadt aufzubauen, die mehr Geschäft verspricht. Letztendlich ist er aber dann doch in Nürnberg geblieben. Er ist zwar in der Türkei geboren, aber hier hat er seine Heimat: «Hier fühle ich mich wohl. Dreißig Jahre hab ich hier verbracht und ich hab mir gesagt: Naa! Bleibst in Nürnberch.»

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