Arete-Mitarbeiterinnen berichten aus San Carlos

18.11.2010, 12:43 Uhr
Arete-Mitarbeiterinnen berichten aus San Carlos

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2008 richtete die Stiftung San Lucas das Projekt Arete ein. Hier arbeiten Privatleute und öffentliche Einrichtungen zusammen, um gegen Gewalt in Familien und sexuellen Missbrauch anzukämpfen. Hilde Duevel und Ingrid Oswald-Engelhard von Arete berichteten in der Villa Leon von der Situation von Frauen und Kindern am Rio San Juan und zeigten einen Film über die Arbeit der Initiative. Vor den Augen ihrer Kinder habe er ihr mit einem Messer die Kleider aufgeschnitten, ihr gedroht, sie umzubringen und sie dann brutal vergewaltigt. Es sind erschreckende Tatsachen, die das Opfer im Video-Interview mit den Mitarbeiterinnen von Arete erzählt. Zu Wort kommt unter anderem auch ein 13-jähriges Vergewaltigungsopfer.

Familiäre und sexuelle Gewalt seien ein enormes Problem am Rio San Juan, berichtet Hilde Duevel in der Villa Leon. Die Deutsche lebt seit Jahren in San Carlos und leitete dort bislang die Clinica San Lucas.

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Armut und ein vermehrt um sich greifender „Machismo“ würden die Situation der Frauen und Kinder in dem zweitärmsten Land Lateinamerikas drastisch verschlechtern. „Kinder werden vom Patriarchen wie ihr Eigentum behandelt. Die Macht wird mit Gewalt eingefordert“, sagt Hilde Duevel. Mädchen würden von einigen Männer als eine Art Freiwild betrachtet. Mitunter hätten Väter oder Stiefväter nicht die Rolle eines Vorbilds sondern würden ihre Schutzbefohlenen verprügeln oder sexuell missbrauchen. „Viele nicaraguanische Mütter würden ihre kleinen Töchter nicht mit den Vätern alleine lassen“, so die Erfahrung der Arete-Mitbegründerin.

Erschreckend hoch sei in der Region um die Nürnberger Partnerstadt auch die Zahl von Schwangerschaften minderjähriger Mädchen nach einer Vergewaltigung. Sogar elf- bis 13-Jährige würden in der Casa Materna, einem Haus zur Aufnahme von Hochschwangeren aus den ländlichen Siedlungen, betreut. Rund 700 minderjährige Schwangere betreut Arete im Jahr.

„Die Behörden stehen der Situation hilflos gegenüber“, sagt Hilde Duevel. 2008 begannen die Mitarbeiter der Initiative Gewaltopfer psychologisch zu betreuen, betroffene Familien zu beraten und die Opfer auf die Prozesse vor Gericht vorzubereiten. Arete versucht aber auch, die Arbeit von staatlichen Stellen, etwa Polizei, Staatsanwaltschaft und Ministerien, zu vernetzen und so effektiver zu gestalten.

Problematisch ist die Verfolgung der Straftaten: „Sexualdelikte verjähren nach sechs Monaten“, berichtet Hilde Duevel. Da die Mühlen der Polizei und Justiz in Nicaragua oft sehr langsam mahlen, kämen viele Frauen nur schwer zu ihrem Recht.

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Die Initiative will aber nicht nur den Opfern helfen, sondern einen gesellschaftlichen Wandel einläuten: Aufklärung, Sensibilisierung und Gewaltprävention gehören somit zu den ganz zentralen Anliegen von Arete. Die Maßnahmen sind vielfältig: Es gibt unter anderem eine beliebte Radiosendung, Informationsveranstaltungen und Workshops. In Schulen, Kindergärten, Elternschulen, Bürgerkomitees und Jugendeinrichtungen sind Arete-Mitarbeiter im Einsatz. Aufgebaut wurde das Präventionsprogramm von Ingrid Oswald-Engelhard. Großen Anklang finden etwa Selbstverteidigungskurse für Frauen und Mädchen, Schulungen für Lehrer, Polizei und Staatsanwälte und ein Gewaltvorbeugungsprogramm in Kindergärten, Schulen und Vorschulen. Wegen des großen Erfolgs ist das Thema Gewaltprävention nun fest in den Lehrplänen in Nicaragua verankert.

Der Stammsitz von Arete ist in der Nürnberger Partnerstadt San Carlos. Die Sozialarbeiter und Psychologen des Projekts sind aber ständig in der unwegsamen Region am Rio San Juan mit Booten, Geländewagen und Pferden unterwegs, um die Betroffenen in den abgelegenen Siedlungen zu besuchen.

Vor kurzem begleitete die Nürnberger Kinderärztin Anne Muckelbauer, die einen sechswöchigen Arbeitseinsatz in Nicaragua absolvierte, die Arete-Teams. „Die Anreise war schon jeweils ein Abenteuer für sich“, erzählt die Ärztin, die im Gesundheitsamt der Stadt Nürnberg arbeitet, in der Villa Leon. Im Vergleich mit ihrem ersten Arbeitsaufenthalt im Jahr 2003 hat Anne Muckelbauer einige Veränderungen beobachten können: „In der Stadt San Carlos geht es aufwärts. Auf dem Land ist die Entwicklung dagegen viel langsamer. Vor allem schwer erreichbare Gebiete sind bettelarm“, so die Ärztin, die in den teilweise sehr einfachen medizinischen Zentren oder auch in Schulen ihre Sprechstunden abhielt.

Konfrontiert wurde sie auch heuer in den abgelegenen Siedlungen mit einer allgegenwärtigen Armut. Mangel- und Unterernährung, Parasitenbefall, aber auch Asthma und schwere Hauterkrankungen diagnostizierte und behandelte die Ärztin bei ihren kleinen Patienten.

Wer das Projekt sowie das Frauenhaus unterstützen möchte, kann unter dem Stichwort „1609 San Carlos ARETE“ auf das Konto der Stadt Nürnberg bei der Sparkasse Nürnberg, Kontonummer 1010941, Bankleitzahl 76050101, eine Spende überweisen.
 

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