Die raffinierten Tricks der Tontechniker

7.8.2011, 19:52 Uhr
Die raffinierten Tricks der Tontechniker

© Roland Fengler

Wie gelangt die symphonische Klangfülle zum Konzertbesucher? Etwa 70 Hektar groß ist der Luitpoldhain, annähernd 300 Meter liegen zwischen der Open-Air-Bühne und dem Parkende auf der gegenüberliegenden Seite. Einfach nur Lautsprecher aufzustellen, das reicht nicht. Dabei entstünde ein Klangbrei mit mehrfachen Echoeffekten, sagt Stefan Noering, Projektleiter der Nürnberger Veranstaltungs-Fachfirma Pave GmbH. Die Schallwellen sind das Problem. Mit gerade einmal 343 Metern pro Sekunde breiten sich Töne und Geräusche aus. Bei sommerlicher Hitze ein paar Meter schneller, bei Minusgraden langsamer. Bis der Paukenschlag auf der Konzertbühne am Ehrenmal, bis das Violin-Vibrato von dort beim Publikum ankommt, vergeht Zeit – fast eine Sekunde für Zuhörer, die ihre Picknick-Decken nahe der Münchener Straße ausgelegt haben. Also müssen die schwarzen Soundboxen zeitverzögert arbeiten – auf Millisekunden genau.

Delay-Technik nennen Fachleute diesen Trick: Jeder der 14 Boxen-Türme beim Klassik Open Air wird dafür von der Bühne aus per Laser eingemessen, millimetergenau. Aus der Entfernung errechnet sich die Verzögerung – pro Meter etwa drei Millisekunden –, mit der die Musik auf den jeweiligen Lautsprecher übertragen wird. Und schon ist der Echoeffekt überlistet. Doch dabei entsteht ein neues Problem: Die Musik kommt für den Besucher allein aus dem Lautsprecher, nicht mehr von der Bühne. Hier greift Trick Nummer zwei der Pave-Techniker: Die Verzögerungszeit der Lautsprechertürme wird um weitere drei bis fünf Millisekunden verlängert, so Stefan Noering. Der Schall aus den weiter vorne im Areal hängenden Boxen erreicht das Ohr minimal früher – die Zuhörer haben den Eindruck, die Musik käme direkt von der Bühne.

Tatsächlich beginnt das Feilen am Sound der Symphoniker und Philharmoniker während des alljährlichen Klassik Open Airs viel früher. Jede Bratsche, jede Trompete, jede Pauke auf der Bühne wird mit eigenen Mikrofonen übertragen. Auch hier entsteht ein Zeitproblem: In professionellen Orchestern spielt die letzte Reihe Sekundenbruchteile früher als die Musiker vorne – damit die Töne zeitgleich beim Dirigenten ankommen. Das müssen die Tontechniker beim Abmischen berücksichtigen.

Dazu kommt der Raum. In Konzertsälen tragen (aus Holz bestehende) Reflexionsflächen an Decke und Wänden den Orchesterklang. Diese Akustik fehlt bei einem Open Air. Hallgeräte und Raumsimulatoren sorgen dafür, dass die von den Mikros übertragenen Signale „mit einem Raumanteil ergänzt“ werden, so Noering. Die wichtigste Aufgabe aber hat der Mann am Mischpult vor der Bühne. Nur zweieinhalb Stunden probt das Orchester am Samstagvormittag. In dieser Zeit muss Klaus Dürschner jedes der rund 80 Mikros einregeln, Mikrofonfehler ausgleichen, den natürlichen Klang des Instrumentes herstellen und den Gesamtklang mischen.

Die raffinierten Tricks der Tontechniker

© Roland Fengler

„Die Kunst liegt darin, das Arrangement zu finden und zu unterstützen“, sagt der 46-Jährige. In zweieinhalb Stunden. Rockbands proben vor einer Konzerttournee über Wochen hinweg im Studio, um den Bühnensound mit den Technikern zu erarbeiten. Während des Konzerts fliegen Dürschners Finger ständig über das Mischpult. Wenn die Oboe plötzlich verschwindet, weil der Musiker seinen Stuhl verrückt hat, wenn Starviolinist Erik Schuhmann sich während eines ergreifenden Solos vor dem Mikrofon bewegt: „Da muss man spüren, was passiert und ständig nachregeln.“

Die Besucher bekommen davon nichts mit. Auch nicht unmittelbar an der Bühne. 40 Hochtöner-Boxen an beiden Seiten der Bühne sind so eng zusammengefasst, dass sich die Schallwellen nicht überlagern, sondern vereinen – und so, unterstützt von riesigen Tiefbässen unter der Bühne, für homogenen Klang sorgen. Wenn von all dem niemand wirklich Notiz nimmt, sagt Stefan Noering, „dann haben wir unseren Job gut gemacht“.

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