Eine sportliche Achterbahnfahrt der Gefühle

4.11.2010, 23:11 Uhr
Eine sportliche Achterbahnfahrt der Gefühle

© Wolfgang Zink

Vor allem erwarteten es die Spieler selbst. In den Tagen und Wochen vor dem Pegnitz-Cup war das Hallenturnier das Gesprächsthema Nummer eins unter den Fußballern, die in den Pegnitz-Werkstätten in den Bereichen Wäscherei, Elektromontage oder Küchenservice arbeiten. „Seit Wochen wurde über nichts geredet als den Sieg beim Pegnitz-Cup“, erzählt Distler. Jeden Tag seien ein paar Spieler in sein Büro gekommen: „Sie haben sich erkundigt: Wer ist dabei? Wie ist der Spielplan? Wann gibt’s die Einladungen?“ Alle seien eben große Fußballfans und das Turnier in der Geschwister-Scholl-Schule für sie „eine ganz wichtige Geschichte“.

Wie wichtig, das konnte man sogar den Ersatzspielern ansehen. Dimi Papachristos hielt es während der Spiele nicht aus, auf der Bank zu sitzen. Er tigerte am Spielfeldrand auf und ab und kommentierte leise murmelnd die Aktionen seiner Mitspieler. Wenn sie eine Chance hatten, hüpfte er vor Aufregung. Wenn sie die Chance vergeben hatten, ließ er enttäuscht die Arme fallen.

Auf dem Feld schmiss sich Torwart Harald Pürstinger in die gegnerischen Schüsse, aber er hatte das Glück an diesem Tag nicht auf seiner Seite. Einen Schuss lenkte er mit den Fingerspitzen ab – der Ball sprang aber gegen den Innenpfosten und von dort ins Tor. Kurz darauf wurde Pürstinger bei einer Parade vom Ball am Kehlkopf getroffen und ging benommen zu Boden. Obwohl ihm die Schmerzen anzusehen waren, blieb er noch eine Weile im Tor und ließ sich erst dann enttäuscht auswechseln. „Im nächsten Spiel geht es wieder. Ich bin ein Kämpfer“, sagte er, nachdem er seinen Hals mit einem Eisbeutel gekühlt hatte.

Frühes Aus für den Titelverteidiger

Eine sportliche Achterbahnfahrt der Gefühle

© Zink

Doch all der Einsatz und all das Mitfiebern halfen nicht. Die Mannschaft der Pegnitz Werkstätten schaffte in der Vorrunde nur ein Unentschieden und verlor zwei Partien. Der letzte Platz in der Vorrundengruppe war eine große Enttäuschung. „Unser Traum ist geplatzt, wir haben uns viel vorgenommen“, sagte Hüssein Yesil und fügte hinzu: „Wir haben hart trainiert und dachten, wir gewinnen. Aber wir waren heute nicht in Form.“

Betreuer Ralf Distler hatte schon befürchtet, dass die Mannschaft ihre hohen Erwartungen in diesem Jahr nicht würde erfüllen können: „Drei Stammspieler sind krank, das schwächt die Mannschaft“, erklärte er. Immerhin gelang im Spiel um Platz sieben gegen die Moritzberg Werkstätten Lauf ein 2:0-Sieg.

Zur fünften Auflage des Pegnitz-Cups waren insgesamt acht Mannschaften von Werkstätten für Menschen mit Behinderung angetreten, zum Beispiel aus Amberg, Kulmbach und Deggendorf. Den Sieg sicherte sich das Team der Wernberger Werkstätten. Organisator Distler ist der Meinung, „dass sich das Turnier etabliert hat“ – als Gegenstück zur Bayerischen Meisterschaft, die im Sommer auf dem Feld ausgetragen wird.

Das Thema Fußball sei ohnehin ein wichtiges Element in der Arbeit der Pegnitz-Werkstätten, findet Distlers Kollege Michael Wiese, der die Nürnberger Mannschaft als Trainer betreute. „Viele Leute bei uns identifizieren sich stark mit Fußball. Zum Beispiel sind nach Spielen des 1.FC Nürnberg viele am Montag in der Arbeit sehr aufgewühlt“, erklärt Wiese. „Wenn ich mich mit jemandem über Fußball austausche, dann komme ich dem Menschen näher. Die Leute können erzählen und können auch mal ihren Frust rauslassen.“

Das wöchentliche Fußballtraining sieht er als Ausgleich zur Arbeit. „Die Spieler sind geknickt, wenn eine Einheit wegen Personalmangels ausfallen muss“, berichtet Wiese. Auf den Pegnitz-Cup hätten sie sich gefreut „wie Kinder auf Weihnachten“. Die Enttäuschung über das schwache Abschneiden war bei manchen schnell überwunden und wich neuen Zielen: „Wir müssen den Kopf nach oben nehmen“, sagte Dimi Papachristos: „Nächstes Jahr wollen wir gewinnen!“