Familie schockiert über Behandlung im Klinikum

12.3.2010, 00:00 Uhr

Die Familie bittet um Anonymität. Aber Wut und Verzweiflung sitzen so tief, dass sich die Enkelin mit einer E-Mail an die NZ gewandt hat. Die Liste ihrer Beschwerden ist lang. Und klingt beim ersten Durchlesen unglaublich. In chronologischer Reihenfolge spielte sich aus Sicht der Familie Folgendes ab:

Trotz diagnostizierten Schlaganfalls wird der Patient auf die Station für Nierenkranke (Nephrologie) gebracht.

Es schaut nur alle vier Stunden eine Schwester nach dem Patienten, laut Auskunft der Enkelin war »die Besetzung auf Sparflamme».

Der Patient ist rechts komplett gelähmt – trotzdem wird der Tee rechts neben sein Bett gestellt.

Die Infusion wird nicht nachgefüllt.

Den Todeskampf des Patienten muss sein Bettnachbar mitverfolgen. Auf die Bitte der Angehörigen, ihn aus dem Zimmer zu bringen, soll eine Pflegekraft äußerst unsensibel reagiert haben.

Die Angehörigen vermissen zwei Ringe des Verstorbenen.

Der Bestatter rät davon ab, den Verstorbenen ein letztes Mal zu sehen. Laut Enkelin wollte er »uns so einen Anblick (. . . ) nicht zumuten». Der Leichnam wurde nicht gekühlt.

Konfrontiert mit den Vorwürfen, reagierte der Klinikums-Vorstand Dr. Alfred Estelmann sofort und lud zu einer Aussprache mit dem leitenden Oberarzt der Nephrologie, Professor Bernd Schulze, und dem Pflegedienstleiter Werner Ruder ein. Die Familie war nicht daran interessiert. Sie wolle sich nicht »mit diesen Leuten an einen Tisch» setzen, »nichts schöngeredet bekommen», schrieb die Enkelin.

Trotzdem brachte ein Gespräch mit der NZ ein gewisses Maß an Klärung – und ein Schuldeingeständnis seitens des Klinikums. Hier die Reaktion auf die einzelnen Punkte:

Der Patient wurde in die zentrale Notaufnahme eingeliefert. Hier wurde nach einer ersten Notversorgung die Diagnose »akuter Schlaganfall» gestellt. Die anschließende Verlegung auf eine Station erfolgte, klärt Schulze auf, nach einem bestimmten Schlüssel und der Bettenkapazität. Insofern sei es kein Fehler, sondern normaler Standard, dass der Patient in die Nephrologie verlegt wurde.

Pflegedienstleiter Ruder war in der betreffenden Nacht nicht anwesend, versucht aber die Geschehnisse anhand der Dienstprotokolle nachzuvollziehen: Laut Dienstplan waren drei voll ausgebildete Kräfte anwesend, »das ist die Standard-Wochenendbesetzung». Dokumentiert wurde außerdem, dass alle zwei bis drei Stunden jemand nach dem Patienten gesehen und ihn gedreht hat. Als sich sein Zustand verschlechterte, wurde zu seinem eigenen Schutz ein Bettgitter installiert. Daraufhin, das ist Anweisung, habe das Personal stündlich nach dem Patienten gesehen.

Die Tasse wurde bewusst an seine gelähmte Seite gestellt. Aufgrund seines schlechten Zustands durfte der Patient nur unter Aufsicht trinken, um nicht Gefahr zu laufen, sich zu verschlucken. Jemand musste die Tasse halten. Eine Aufklärung der Angehörigen fand aber nicht statt.

Die Infusion wurde tatsächlich nicht nachgefüllt. Denn: Der Patient hatte eine Patientenverfügung. In diesem Fall wird laut Klinikum jeder weitere Schritt mit den Angehörigen abgesprochen. Man kam überein, dass man sich dem Sterbeprozess nicht in den Weg stellen wollte. In so einem Fall erhalten Betroffene per Infusion nur so viel Flüssigkeit, dass sie nicht Durst haben. Schulze: »Ziel ist eine Linderung, keine Heilung.»

Die Pflegekraft bestreitet, sich falsch verhalten zu haben. Der Mitpatient selbst, danach befragt, hat nichts gehört. Estelmann: »Wir waren leider nicht dabei.» Es steht Aussage gegen Aussage.

Wenn Patienten aufgenommen werden, wird ein Protokoll angefertigt über ihre Wertgegenstände. In diesem Fall stand nichts über Ringe auf der Liste. Lediglich zwei Zahnprothesen wurden dokumentiert. Ruder: »Aber ich kann nicht ausschließen, dass etwas übersehen wurde.»

Der letzte Punkt trifft das Klinikum hart: Es stimmt, die Leiche wurde nicht gekühlt. »Nach allem, was wir recherchieren konnten, kam der Verstorbene erst spät in den Kühlraum», gibt Estelmann zu. »Da ist unstrittig was schiefgelaufen.» Und zwar an der Schnittstelle Transport und Pathologie. Die Kühlzellen waren zu diesem Zeitpunkt – bedingt durch die Feiertage – belegt. »Es gab ein Rückmeldeproblem», sagt Estelmann. Zwar gilt bereits die Dienstanweisung, Verstorbene direkt zum Friedhof zu bringen, wenn die Kühlräume des Klinikums ausgelastet sind. »Aber das müssen wir verstärkt kommunizieren.» Die Dienstanweisung soll jetzt noch einmal groß ausgehängt werden. Unter anderem an alle 37 Kühlzellen im Nord- und Südklinikum.

Vor allem der letzte Punkt, aber auch die Beschwerde über unhöfliches Pflegepersonal, hat im Klinikum Staub aufgewirbelt. Schon deshalb ist die Familie wieder ein wenig besänftigt. »Für uns», schreibt die Enkelin, »ist es immerhin eine kleine Genugtuung, dass die Ärzte mit unserem Fall konfrontiert worden sind und unsere Wut nicht mehr so tief in uns steckt.»

Haben Sie ähnliche Erfahrungen in Krankenhäusern gemacht? Oder liegt es Ihnen am Herzen, das Pflegepersonal und die Mediziner zu loben? Oder gehören Sie zum Krankenhauspersonal und wollen sich auch einmal Luft machen? Dann schreiben Sie uns: Per Post an die Lokalredaktion, Marienstr. 9, 90402 Nürnberg, per E-Mail an nz-lokales@pressenetz.de oder diskutieren Sie mit im NZ-Blog »Senf dazu»: http://blog.nz-online.de/senf/

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