Folgt ein Ladensterben nach dem Aus der Linie 9?

13.12.2011, 07:00 Uhr
Folgt ein Ladensterben nach dem Aus der Linie 9?

© Harald Sippel

"9er - wo bleibst du? Wir vermissen dich“, steht auf einem Banner, das im verwaisten Wartehäuschen an der Maxfeldstraße hängt. Ein paar Kinder blödeln hier noch herum – die Autos flitzen, seitdem die Pirckheimer Straße ihnen gehört, regelrecht zum Friedrich-Ebert-Platz oder Rennweg.

„Ich vermisse sie“, sagt auch Angela Pötzsch vom Schreibwarenladen gegenüber und zieht die Mundwinkel nach unten. Tag für Tag ist die Schienenkarrosse vor dem Schaufenster des Ladens vorbeigerumpelt. Wenn sie nicht mehr hält, „bricht uns der Umsatz weg“, sagt die 53-Jährige und trommelt mit den Fingernägeln auf die Kasse. „Sonst sind die Leute, während sie auf die Straßenbahn gewartet haben, hereingehuscht und haben eine Fahrkarte gekauft und vielleicht eine Zeitschrift mitgenommen.“ Das sei ein gutes Geschäft gewesen. „Durch die 9 war in der Straße überhaupt mehr los. Das wird uns noch bitter erwischen.“

Angst vor der Zukunft hat auch Optikerin Eva Henze. „Wir werden ein Problem mit der Bekanntheit und der Erreichbarkeit bekommen“, sagt sie. „Die Leute konnten während der Rotphase für die Straßenbahn genüsslich unser Schaufenster angucken.“ Jetzt mit dem Wegfall der Linie und dem wachsenden Gewerbegebiet in der Tucherstraße, sieht Eva Henze schwarz.

Denn Henzes Laden ist ein Eigentum, erst 2010 haben sie das Geschäft renovieren lassen, nach mehr als 40 Jahren in der Straße. „Wir können den Standort nicht wechseln, viele der älteren Stammkunden werden uns wegbrechen.“

Die wurden mit der Bahn aus Nord und Süd bis fast vor die Haustüre geliefert. „Die Diskussion hat sich mir nie ganz erschlossen, warum sich die neue Linie 5 oder die U-Bahn mehr rentiert“, sagt sie und weiß, dass sich wenig an der Situation ändern lässt. „Wir müssen darauf reagieren. Jammern nützt nichts“, meint sie und lächelt tapfer.

„Die sollen Alternativen wie Busse anbieten“, brüllt eine Seniorin zwischen Rosen und Weihnachtsgesteck bei Blumen Engelhardt. „Ganz, ganz schlimm“, gibt indes die Inhaberin Elise Engelhardt zu Protokoll, „uns fallen mindestens zehn Kunden am Tag weg.“

Dabei hätte das Floristen-Ehepaar nicht nur die Kunden verloren, die „bequem anfahren konnten“, sondern auch die, die gestoppt haben, weil sie den Laden aus der Straßenbahnfenstern gesehen hatten. „Der Weg von der U-Bahn ist ja weiter, und da bleiben viele dann lieber weg.“ Seit 17 Jahren führt das Ehepaar den Eckladen, „und ich befürchte, nimmer lang“, sagt Engelhardt.

Folgt ein Ladensterben nach dem Aus der Linie 9?

„Das ist so eine Unverschämtheit“, schimpft die 88-jährige Thusnelde Rupp, die an der Matthäuskirche wohnt und wegen eines Büschels Schleierkraut zu Engelhardts gefahren ist. „Alte Menschen benutzen die U-Bahn ungerne, vor allem wenn sie gebrechlich oder im Rollstuhl unterwegs sind – da gehört Protest her“, findet die Rentnerin. Das Aus der 9 habe ihr ihre Lieblingskonzerte in der Meistersingerhalle verhagelt. „Ich geh doch nicht nachts in den U-Bahnhof.“

Siegfried Schoppe ruft seinen Kollegen von Thon aus an, um ihn zu informieren. Er wartet auf die Linie 4 und spricht sein Urteil ins Handy: „Das wird Engpässe geben, die 4 fährt raus, wie sie will.“ Schoppe wohnt eigentlich in Zabo, hat Urlaub und den genutzt, um sich die Lage in Thon anzusehen. „Zu wenig Taktung“, findet der Freizeit-Nahverkehrsexperte.

Früher seien vormittags zwei Bahnen in zehn Minuten gefahren – jetzt nur eine. „Da gibt’s viel Stau, wenn die Busse eintreffen.“ Darum rät der 55-Jährige, den Fünf-Minuten-Takt ganztags auszuweiten und an die Anschlüsse anzupassen. „Hätte man die U-Bahn nach Thon anstatt zum Nordwestring gebaut, müssten weniger Leute umsteigen.“

„Es ist wieder ein Umstieg mehr, und die 9 war so praktisch“, sagt Student Heiko Schmidt, der sonst vom Hauptbahnhof nach Thon durchgefahren wäre, um dort in den Bus 30 nach Erlangen umzusteigen.

„Ich denke, die Strecke spart Zeit“, sagt Ramona Bösendörfer, die in Thon Richtung Hochschule an der Wöhrder Wiese umsteigt. „Wenn nicht, fahr ich künftig vom Flughafen ab“, so die 24-Jährige aus Buch – doch erstmal „freue mich auf die neue U-Bahn“.

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