Georg Bernet nahm sich in der U-Haft das Leben

22.5.2004, 00:00 Uhr
Georg Bernet nahm sich in der U-Haft das Leben

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Den Grundstock für die in Nürnberg bekannte Wildbret- und Fischhandlung in der Adlerstraße hatte Bernets Vater mit dem Verkauf von Aischgründer Karpfen gelegt. Mit zunehmendem Wohlstand in der Bevölkerung erweiterte Bernet sein Angebot um Wildbret, zunächst aus den heimischen Revieren und später als Importware vorwiegend aus den osteuropäischen Ländern.

Georg Bernet, der nach dem gewaltsamen Tod seiner Mutter — zwei ausländische Mitarbeiter hatten die Frau nachts in ihrer Wohnung überfallen, getötet und ausgeraubt - das Geschäft alleine führte, hatte sich als Wirtschaftsfachmann großen Respekt erworben und war lange ehrenamtlich bei der Industrie- und Handelskammer tätig. Dennoch: Georg Bernet hatte mit einer unheilbaren Krankheit zu kämpfen, musste sich operieren lassen, litt an schweren Herzbeschwerden und klagte über einen zu hohen Blutdruck.

Das Geschäft florierte. Aber neues Unheil drohte. Seit fünf Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen umstrittener Buchungen und daraus resultierendem Verdachts der Steuerhinterziehung. Es soll um rund eine Million Euro gehen; ein Betrag, den der gut betuchte Fisch- und Wildbrethändler sicherlich aufzubringen in der Lage gewesen wäre, ohne, dass sein Geschäft gefährdet gewesen wäre.

Am Montag kam Georg Bernet wegen angeblicher Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Wegen seines Gesundheitszustandes kam der 65-Jährige in eine Einzelzelle in die Krankenabteilung. Dort nahm er sich das Leben. Gegen 20 Uhr fand ihn eine Krankenschwester bei ihrem Rundgang.

Während sich die Justiz wegen des schwebenden Verfahrens in Schweigen hüllt, bezweifeln Freunde von Bernet, dass nach fünf Jahren staatsanwaltlicher Ermittlungen noch ein Fluchtgrund bestand. Sie sind der Meinung, dass es sich bei der Festnahme um einen völlig überzogenen Akt der Staatsanwaltschaft gehandelt hat.

Über die Freitod-Motive Bernets kann ebenfalls nur spekuliert werden: War es die Scham, verhaftet worden zu sein? War es der Verdacht der möglichen Steuerhinterziehung? War es der Renommee-Verlust des waschechten Nürnbergers, der sehr eng mit seiner Heimatstadt und der heimischen Wirtschaft verbunden war? War es die Ausweglosigkeit seiner Krankheit? Fragen, die sich wahrscheinlich nicht mehr klären lassen werden, denn Bernet hat einen geordneten Geschäftsbetrieb hinterlassen, jedoch keinen Abschiedsbrief.

Für die Justiz jedoch ist der Fall der möglichen Steuerhinterziehung mit dem Tod des beschuldigten Georg Bernet abgeschlossen, auch wenn er mit einer menschlichen Tragödie endete. nic

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