Harter Kampf gegen jedes Kilo

16.10.2009, 00:00 Uhr

Jeden Samstag vor dem Frühstück kam der Moment der Wahrheit. Was zeigte die Waage? Anfangs noch die 113. Die Zahl schrumpfte, langsam, aber sicher, nach einem Jahr endlich unter 100.

Helga Abé hat mehr als 13 Kilogramm abgenommen. Das allein ist noch keine Kunst – die liegt darin, das neue Gewicht schon seit einem Dreivierteljahr zu halten. Mit Mobilis ist das der 64-Jährigen zum ersten Mal gelungen. Früher, nach «Weight Watchers»-Diäten und Kuren, schlug immer der Jojo-Effekt zu. «Es liegt am Willen», meint sie.

In ihrem letzten Berufsjahrzehnt leitete die Nürnbergerin eine Pflegeeinrichtung. Das bedeutete: viel Verwaltungsarbeit am Schreibtisch, kaum Bewegung. Die 1,67 Meter große Frau, die in jüngeren Jahren normalgewichtig war, nahm 30 Kilo zu. Dass sie sich mittlerweile bei Hausarbeiten schwerfällig fühlte und beim Tennis nach Luft japste, ärgerte sie irgendwann so sehr, dass sie auf einen Zeitungsartikel hin eine ehemalige Mobilis-Teilnehmerin kontaktierte. Deren Erfahrungen klangen so überzeugend, dass auch Helga Abé sich anmeldete.

Das Universitätsklinikum Freiburg und die Deutsche Sporthochschule Köln bieten dieses einjährige Abnehmprogramm gegen starkes Übergewicht bundesweit an. Die meisten Krankenkassen übernehmen die Kosten von 785 Euro bis auf 100 Euro. Teilnehmen können Erwachsene mit einem Body-Mass-Index von 30 bis 40 und einem Risikofaktor wie Bluthochdruck oder Diabetes.

Jeder Zweite beendet das Programm mit mindestens fünf Prozent weniger Gewicht. 20 Prozent der Teilnehmer verlieren zehn Prozent, im Durchschnitt 15 Kilo. Der Rest nimmt zu oder nur minimal ab. Für Andreas Berg, den Geschäftsführer des Programms, ein respektabler Erfolg. «In der öffentlichen Meinung gilt es leider als relativ einfach, binnen ein paar Wochen Pfunde loszuwerden. In Wirklichkeit muss man lange dabeibleiben, viel Zeit investieren und persönliche Strategien erarbeiten.»

Zweimal wöchentlich lernen die Mobilis-Teilnehmer bei Treffen mit Psychologen, Sport- und Ernährungswissenschaftlern, ihren Lebenswandel umzustellen. Sie machen gemeinsam Walking oder Theraband-Training. Dazu sollen sie fünf Ernährungsratschläge befolgen: höchstens 60 Gramm Fett am Tag, als Kohlenhydrate überwiegend die langsam verfügbaren (also besser Vollkorn- statt Weißmehl), zwei Portionen Obst und mindestens drei Portionen Gemüse pro Tag, mindestens zwei Liter energiearme Getränke und möglichst nicht mehr als drei Mahlzeiten täglich.

Wie hart der Kampf gegen das Gewicht trotzdem bleibt, hat einer der drei Männer in Helga Abés Gruppe erlebt. Uwe Seeber verlor schnell 17 Kilo – aber noch vor Programmende nahm er die Differenz wieder zu. In der zweiten Phase, die auf Eigenarbeit setzt, fühlte der Erlanger sich hilflos, vermisste Anleitungen für geregelte Ernährung im Arbeitsalltag. Essen war zu seiner Ersatzdroge geworden, seit er mit dem Rauchen aufgehört hatte. Obwohl er Radfahren und Gemüse für sich entdeckte, blieb der innere Schweinehund stärker, sagt der 40-Jährige.

«Unsere Betreuung ist schon sehr engmaschig», entgegnet Andreas Berg. «Das größte Problem ist, dass die Teilnehmer eigenverantwortlich sein müssen.» «Am meisten Erfolg haben die, die mindestens fünf Stunden in der Woche körperlich aktiv sind.»

«Es ist eine total harte Geschichte», sagt auch Helga Abé. Dass sie es schafft, jetzt beim Essen der Vernunft Vorrang zu geben, kann sie sich höchstens damit erklären, dass sie neuerdings wegen Rheuma auf bestimmte Lebensmittel verzichten muss. Sie kauft nur noch Mini-Schokoladentafeln, damit sie keine ganze isst. Das wöchentliche Schäufele im Restaurant hat sie sich abgewöhnt. Zum Ende von Mobilis hat Helga Abé sich etliche neue Kleider gekauft, zwei Nummern kleiner. Seither wiegt sie sich höchstens einmal wöchentlich. «Ein Tipp aus dem Kurs. Sonst leben Sie mit der Waage, und dann kommt der große Frust.»

Eine neue Gruppe mit 15 Teilnehmern soll nach Absprache im Herbst beginnen. Interessenten melden sich unter 07 61/50 39 10 und können sich im Internet unter www.mobilis-programm.de informieren.

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