Immer müde – aber schlaflos

25.1.2011, 00:00 Uhr
Immer müde – aber schlaflos

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Laut einer Studie der Krankenkasse DAK hat jeder zweite Berufstätige in Deutschland gelegentlich solche Probleme. Das sind bundesweit etwa 20 Millionen Menschen. Fast vier Millionen von ihnen quälen sich nach eigenen Angaben fast täglich übermüdet durch den Arbeitsalltag, weil sie mehr als dreimal pro Woche schlecht schlafen, häufig aufwachen oder lange wach liegen.

„Starke Schläfrigkeit am Tag ist ein nicht zu unterschätzendes Phänomen“, sagt Jürgen Schuster, der als Trainer und Coach für gesundheitliche Prävention mit Schwerpunkt Schlaf und Stressbewältigung tätig ist. „Häufig handelt es sich um eine Schlafstörung, die Betroffene selber gar nicht bemerken und die sich meist nur im Schlaflabor feststellen lässt.“ Dazu gehört die sogenannte Schlafapnoe. Das griechische Wort Apnoe bedeutet Windstille. Gemeint sind Atemaussetzer, die besonders oft in Rückenlage auftreten. Ursache ist eine Erschlaffung der Muskulatur im Rachenraum. Die Zunge fällt nach hinten und verschließt den Schlund.

Aufwachen und nach Luft schnappen

„Bei einer Schlafapnoe hält der Mensch knapp eine Minute die Luft an, bis der Körper Alarm schlägt und kurz aufwacht, begleitet von einem vernehmbaren Schnappen nach Luft“, erläutert der Schlafexperte. Die Wahrscheinlichkeit für diese Krankheit sei höher bei abendlichem Alkoholgenuss oder Übergewicht, aber auch bei einer unterentwickelten Halsmuskulatur, wie der Buchautor erläutert: „Menschen, die ein Blasinstrument spielen, singen oder Sport treiben, sind weniger gefährdet, weil ihre Halsmuskulatur fester und straffer ist.“

„Bei einer andauernden intensiven Müdigkeit sollten Betroffene zum Arzt gehen und testen lassen, ob dahinter eine Erkrankung oder ein Mangel stecken könnte“, rät die Medizinerin Katharina Larisch aus Leipzig. Denn nicht nur Schlafmangel führt zu Müdigkeit. Beispielsweise kann eine Schilddrüsenfehlfunktion die Ursache sein. Diese Krankheit lasse sich anhand eines Blutbilds und einer Ultraschalluntersuchung leicht feststellen und medikamentös behandeln. Meist sind Frauen betroffen.

Das Blutbild offenbart auch Mangelerscheinungen wie beispielsweise Eisenmangel. „Oft reicht schon die zusätzliche Versorgung durch einen Nahrungszusatz – und die Müdigkeit verschwindet“, sagt die Ärztin. Aber oft stecke hinter Mattigkeit schlicht niedriger Blutdruck. „Bewegung bringt in diesem Fall den Kreislauf in Schwung“, rät Larisch. Die Ursache für ständige Erschöpfung können allerdings durchaus auch ernste Erkrankungen wie Depressionen, Herzprobleme oder Krebs sein. Ärztlicher Rat sei also immer sinnvoll, wenn ständig die Augen schwer werden.

Der Körper fordert sein Recht

„Tagesmüdigkeit kann ein Indikator für eine Krankheit sein, aber meistens sind es psychologische Gründe, die uns schlaflos lassen und müde machen“, sagt die Gesprächstherapeutin Annette Charpentier. Müdigkeit sei ein Signal des Körpers, dass er unbedingt Ruhe braucht. „In unserer umtriebigen Zeit, in der wir rund um die Uhr etwas unternehmen können, gilt es oft als lästig, müde zu sein“, stellt Annette Charpentier fest. „Wir lassen die Müdigkeit nicht zu, weil wir ungern die Kontrolle verlieren.“ Aber genau darum gehe es: loszulassen und sich dem wohligen Zustand zwischen Wachsein und Schlafen hinzugeben.

Charpentier rät, achtsam mit sich selbst zu sein und sich Auszeiten zu nehmen: „Beim Tagträumen etwa können neue Ideen und Gedanken hochkommen.“ Nicht umsonst habe Sigmund Freud seine Patienten im

Liegen erzählen lassen: „Auf der berühmten Couch kann man sich leicht in den Schwebezustand zwischen Wachsein und Schlaf versetzen und frei assoziieren“, sagt Annette Charpentier.

Nicht zuletzt helfe auch der aus der Mode gekommene Mittagsschlaf, Energie zu tanken und wach durch den restlichen Tag zu gehen. Das Nickerchen solle allerdings nicht länger als eine halbe Stunde dauern. Sonst werde das Ein- und Durchschlafen in der Nacht erschwert. Um nach dem Mittagsschlaf wieder fit zu sein, empfiehlt die Therapeutin: „Trinken Sie kurz vorher eine Tasse Kaffee, weil die erst nach 20 Minuten wirkt.“

Gerade in der dunklen Jahreszeit kann Tagesmüdigkeit auch mit Lichtmangel zusammenhängen. Gesundheitsberater Jürgen Schuster spricht von der Winterdepression: „Viele fahren in der Dämmerung zur Arbeit und abends im Dunkeln zurück und sitzen den ganzen Tag im Großraumbüro unter Neonlicht, wo sie kein richtiges Licht bekommen.“

Botenstoffe geraten aus dem Gleichgewicht

So geraten im Winter die körpereigenen Botenstoffe aus dem Gleichgewicht: das Melatonin für die Nachtruhe und das Serotonin, das durch den Einfluss von Licht produziert wird und für Antrieb am Tag sorgt. Je mehr Serotonin tagsüber produziert werde, desto besser funktioniere die hormonelle Gegensteuerung nachts durch das Melatonin.

Jürgen Schuster rät dazu, wenigstens in der Mittagspause einmal kurz vor die Tür zu gehen und auch am Wochenende tagsüber viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Selbst an einem trüben Wintertag reiche das Tageslicht aus, um Serotonin auszuschütten, das wach macht und dann seinen Partner Melatonin auf den Plan ruft: „Wichtig ist Tageslicht, Kunstlicht hilft nicht, ausgenommen sind spezielle Lichtduschen.“ Auch moderat betriebener Sport sei jetzt empfehlenswert: „Bewegung macht auf natürliche Art und Weise müde und führt zu einem tiefen gesunden Schlaf.“

Im Internet:

www.schlaf.de

www.dasschlafmagazin.de

www.dgsm.de


 

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