Ingenieure mit langen Zähnen und vier Pfoten

17.10.2010, 16:31 Uhr
Ingenieure mit langen Zähnen und vier Pfoten

© dpa

Susanne Krusche von der BN-Ortsgruppe Zabo, weiß natürlich, dass man nachmittags um drei keinen Biber zu Gesicht bekommt. Das größte Nagetier Europas ist vorwiegend nachtaktiv. Deshalb hat sie den „BN-Biberrucksack“ mitgebracht, in dem u.a. ein Schädel und ein Fell mit Biberkelle (Schwanz) steckt.

Der feine Pelz macht unter den 25 Teilnehmern schnell die Runde. Mit bis zu 23.000 Haaren pro Quadratzentimeter sei das Fell wasserdicht, erklärt Krusche, während um sie herum die Regenschirme aufklappen.

Wer nur etwa 300 Haare pro Quadratzentimeter hat, braucht eben einen künstlichen Regenschutz. Andererseits: Was schlecht vor Kälte schützt, bewahrt vor Überhitzung. Deshalb hat der Biber auf seinem Rücken nur halb so viele Haare und deutlich weniger Fettgewebe als am Bauch. So kann die Körperwärme beim Baumfällen nach oben entweichen.

Der Biber ist ein tüchtiger Waldarbeiter. Ein Tier, das bis zu 35 Kilogramm schwer wird, kann kräftig zubeißen. Seine vier ständig nachwachsenden Schneidezähne bringen einen Kaudruck von 120 Kilogramm auf den Quadratzentimeter. Das haut sogar die stärkste Eiche um.

„Biber können Bäume mit einem Durchmesser von bis zu 90 Zentimetern fällen“, erklärt Krusche. Zu zwei Dritteln würden sie sich allerdings mit einem Stammdurchmesser von fünf Zentimeter begnügen. „Solche Bäume fallen noch nicht unter die Baumschutzverordnung der Stadt Nürnberg“, witzelt ein Zuhörer.

Trotzdem. Seit wann setzt sich der Bund Naturschutz für Waldfrevler ein? Für Lebewesen, die wahllos alte Bäume umknipsen, nur um an das frische Grün zu kommen? Wo bleibt da die Nachhaltigkeit?

Die Antwort ist verblüffend: Biber gehören zu den wenigen Tierarten, die ihre Umwelt aktiv verändern können. Und zwar zum Nutzen der Natur. Der größte bekannte Biberdamm in Kanada stammt aus den 1970er Jahren und ist 850 Meter lang.

Ingenieure mit langen Zähnen und vier Pfoten

© Matthias Orgeldinger

Die Tiere verwandeln Flüsse in Teiche mit angrenzendem Feuchtgebiet. Der Wasserstand wird von der Biberfamilie ständig kontrolliert. Bei Starkregen strömt die Flut nicht mehr ungebremst ins Tal, sondern wird aufgestaut. Ein Grund, warum die staatlichen Hochwasserschützer den Biber als natürlichen Verbündeten ansehen.

Wo früher keine Amphibien leben konnten, weil ihr Laich von Fischen vertilgt wurde, entstehen plötzlich fischfreie Amphibiengewässer, die ihrerseits seltene Vogelarten wie den Schwarzstorch anlocken. Der Biber ist also ein Naturschutzaktivist, der die Artenvielfalt erhöht. Selbst wenn es ihm nicht gelingt, die Pegnitz aufzustauen.

Und da er – abgesehen von 100 Jahren, in denen er in Bayern ausgerottet war – seit 15 Millionen Jahren heimisch ist, bringt Castor fiber jede Menge Naturschutz-Erfahrung mit sich.

Zumindest instinktiv. Die gefällten Weiden treiben aus dem Stock rasch wieder aus. Und als Totholz bieten sie Lebensraum für Mikroorganismen, Pilze und Insekten. Im Wasser sorgen sie für Verwirbelungen, die das Gewässer mit Sauerstoff anreichern. Fische legen hier ihren Laich ab und vertrauen ihre Nachkommen dem schützenden Geäst an.

Die Botschaft ist eindeutig. Wer mit der Natur und nicht gegen sie arbeitet, kann am Ende auch auf den Castor verzichten. Nicht den Biber natürlich, sondern den Atom-Abfall-Behälter: Den „Cask for storage and transport of radioactive material“.

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