Mondgöttin Luna war gerührt

16.6.2011, 19:35 Uhr
Mondgöttin Luna war gerührt

© Jens Liebscher

Die Schwester von Sonnengott Sol und Aurora, Göttin der Morgenröte, ist scheu geworden. Die Zeiten sind längst vorbei, in denen der Mensch ehrfürchtig in den Himmel blickt und sein Leben am Lauf der Gestirne ausrichtet. Heute gibt es andere Zeitgeber. Zum Beispiel die „Tagesschau“. Wenn dort über die längste totale Mondfinsternis seit mehr als zehn Jahren berichtet wird, möchte man dabei sein – Wolkendecke hin oder her. Kurz nach 21 Uhr ist der Vortragsraum der Sternwarte schon gut gefüllt.

Matthias Gräter, Geschäftsführer der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft (NAA), blickt ungläubig auf die wachsende Zahl von Besuchern. „Das Satellitenbild sieht schlecht aus, überall Wolken“, sagt er. Überhaupt könne man diese Mondfinsternis in Nürnberg nur eingeschränkt beobachten. „Wir liegen zu weit im Westen“, erklärt Gräter. „Wenn der Mond in den Kernschatten der Erde tritt, ist es bei uns noch zu hell.“ Die beste Sicht auf die Mofi in ihrer vollen Länge habe man auf den Inseln im Indischen Ozean.

Warten auf die Wolkenlücke

Da der Mond während der Finsternis nur wenig über dem Horizont stehe, sollte man einen hohen Beobachtungsstandpunkt wählen. Matthias Gräter räumt das Absperrgitter vor der Treppe weg und führt die Besucher auf die Terrasse der Sternwarte. Der Himmel bleibt bedeckt. Es spricht für Gräter und seine zehn Mitstreiter, dass sie die Menschen nicht einfach nach Hause schicken. Das Prinzip Hoffnung macht die Runde: „Wir warten auf die Wolkenlücke.“

Studentin Ute vertreibt sich die Zeit mit SMS schreiben. In Bubenreuth, Höchstadt und im Bayerischen Wald sei der Himmel ebenfalls bedeckt, berichtet sie. Es sei schön, mit so vielen Menschen gemeinsam zu warten. „Der Mond hat was Tolles.“ Auch Erika Falkner aus Lauf ist zum ersten Mal auf der Sternwarte. Sie wollte sich einen entspannten Abend im Freien machen und hat gleich ihre beiden Kinder samt Freunden und Bekannten mitgebracht. Die Nachricht vom nächtlichen Himmelsschauspiel hat sie aus dem Radio. Über das Wetter macht sie sich keine Sorgen. „Die Wolken verändern sich noch.“

Unterdessen erklärt Dieter Hölzl, der seit 1965 auf der Sternwarte aktiv ist, die himmelsmechanischen Zusammenhänge der Mondfinsternis. Geduldig beantwortet er alle Fragen. „Nein, der rötliche Schimmer auf den niedrig stehenden Wolken hat nichts mit dem Mond zu tun, das ist das Licht der Stadt.“ Je später der Abend, desto markanter drängt sich der Werbestrahl des Businesstowers am südöstlichen Himmel auf.

Kurzer Auftritt unter großem Applaus

„Die sollen den Turm abschalten und Energie sparen“, schimpft ein Mann. Womit er wohl allen Astronomen aus der Seele spricht. An diesem Abend dient der Lichtkegel immerhin als Wegweiser. An seinem linken Rand taucht gegen 22 Uhr 45 die rote Mondscheibe auf. Angefeuert von ein paar Sekunden Applaus schimmert Luna noch einige Minuten vor sich hin. Dann fällt der Wolkenvorhang. Große Emotionen löst der Mond heute nicht mehr aus. Im Februar 1504 war das noch anders. Damals flehten die Einwohner Jamaikas den gestrandeten Christoph Kolumbus an, er möge seinen Gott bitten, die Verdunklung des Mondes zu beenden.

Der gerissene Entdecker nutzte seine Kenntnisse, um Proviant für sich und seine Männer zu erschleichen. Dabei benutzte er einen Almanach des Astronomen Johannes Regiomontanus (1436–1476), nach dem die Nürnberger Sternwarte benannt ist.

Keine Kommentare