Muslime fühlen sich nicht länger erwünscht

13.5.2010, 00:00 Uhr
Muslime fühlen sich  nicht länger erwünscht

© Sippel

Vor allem ein Plakat ist der Menschenrechtlerin und Dozentin an der Fachhochschule Bern im Vorfeld des Referendums bitter aufgestoßen: jenes berühmt berüchtigte Poster, das sich die Anti-Minarett-Initiative für ihre Polarisierung ausgesucht hatte.

»Auf dem Bild werden Minarette wie Raketen dargestellt; die Person hat eine feindselige Ausstrahlung«, erklärt Angst. Damit bei ihrem Besuch in der Erlanger Uni jeder weiß, wovon sie spricht, hat sie das »Corpus Delicti« mitgebracht: Immer wieder blendet sie es für die Zuschauer ein – bedrohlich und anschaulich zugleich. Dieses Foto, kritisiert sie, habe die in der Schweiz lebenden Muslime übel diffamiert. Auch im Vorfeld des umstrittenen Referendums ist sie nie müde geworden, auf die menschenverachtende Wirkung des Posters hinzuweisen.

Bis zu der Abstimmung fühlte sich niemand gestört

Genützt aber hat es nicht: Mit einer Mehrheit von 57,5 Prozent nahmen ihre Landsleute bei einer Volksabstimmung eine entsprechende Initiative an. Bis auf weiteres dürfen in der Schweiz keine neuen Minarette gebaut werden. Bereits bestehende können bleiben. »Zum Zeitpunkt der Abstimmung hatten wir vier kleine Minarette«, erklärt Angst, die zugleich Stellvertretende Delegierte der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) ist. Bis zu dieser »rechtspopulistischen Stimmungsmache« habe sich in ihrer Heimat niemand an Moscheen und Minaretten gestört. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) hätten die Gemüter aber derart aufgeheizt, dass die Stimmen Ende vergangenen Jahres tatsächlich für ein Minarettverbot gereicht haben.

In der emotionalen Debatte sei es längst nicht mehr um ein einzelnes Bauprojekt gegangen. »Dieses Problem«, findet Angst, »hätte man über Bauverordnungen lösen können«. Vielmehr habe das Referendum zu einem öffentlichen Diskurs über den Islam geführt; genauer: über die fundamentalistische Ausprägung dieser Religion. Auch Medien hätten teilweise eine einseitige Sichtweise transportiert: »Wir haben Bilder von vollverschleierten Muslimen gesehen, aber keine von ganz normalen Menschen muslimischen Glaubens.«

Diese Schweizer Staatsbürger, die häufig ihre Religion gar nicht ausüben, haben die Entscheidung dann natürlich stark auf sich bezogen. »Sie fühlen sich gedemütigt«, berichtet Angst. Nach diesem Votum hält sich die Mehrheit der Muslime in der Schweiz für unerwünscht: »Es ist eine Absage an das Zusammenleben von Christen und Muslimen.« Derartige Pauschalverurteilungen würden den Individuen und ihren verschiedenen Lebenswegen aber niemals gerecht werden.

Die Eidgenossenschaft müsse nun sehen, wie sie das Beste aus der Situation mache. Möglicherweise wird das Votum vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg überprüft. Für Angst verstößt das Minarettverbot gegen mehrere Menschenrechte: etwa gegen das Recht auf freie Religionsausübung und den verbrieften Schutz von Minderheiten. Schon allein die Abstimmung über ein Thema von dieser Tragweite widerspreche auch der schweizerischen Verfassung. Die Entscheidung sei einer »Diktatur der Mehrheit« zu verdanken. Den Einwand, das dies nun mal das Wesen einer Demokratie ausmache, konnte Angst nicht entkräften.

Keine Kommentare