Grohl's Own Country: "Sonic Highways" von den Foo Fighters

15.11.2014, 06:00 Uhr
Die Foo Fighters (v.l.n.r.) Pat Smear, Nate Mendel, Dave Grohl, Taylor Hawkins und Chris Shiflett freuen sich diebisch. Kein Wunder: Fotografiert hat sie hier Ex-Beatle Ringo Starr.

© Ringo Starr / PR / Sony Die Foo Fighters (v.l.n.r.) Pat Smear, Nate Mendel, Dave Grohl, Taylor Hawkins und Chris Shiflett freuen sich diebisch. Kein Wunder: Fotografiert hat sie hier Ex-Beatle Ringo Starr.

Dave Grohl muss in größeren Dimensionen denken. Selber schuld! Mit Anfang 20 für Kurt Cobain getrommelt zu haben, ergo: bereits auf einen sicheren Platz im Rock 'n' Roll-Olymp abonniert zu sein – damit wäre dem künstlerischen und kommerziellen Streben der meisten Musiker wohl schon genüge getan. Nach Cobains Tod nahm Grohl stattdessen Mikro, Gitarre, Bass und Schlagzeug in die Hand und nannte das Ganze Foo Fighers (1995). Drei Alben später und drei Mann mehr waren die Foo Fighers Anfang des neuen Jahrtausends so groß, dass sie Stadien auf der ganzen Welt füllen konnten. Nebenher drosch sich Grohl für die Queens of the Stone Age die Finger wund und pflegte seinen Ruf als einer der besten lebenden Drummer.

2007 ließ Echoes, Silence, Patience & Grace von den Foo Fighers mit seinem biederen Tom-Petty-Sound vermuten, dass der Tausendsassa müde geworden war. Aber statt einzulullen, gründete Grohl mit Josh Homme und Led Zeppelin-Bassist John Paul Jones kurzerhand die Supergroup Them Crooked Vultures. Blieb die Frage, was nun aus den Foo Fighters werden sollte. Wurde beantwortet mit Wasting Light (2011) – einem bissigen Rock 'n' Roll-Biest, immer noch aus dem FF, nur angriffslustiger, kompromissloser und doch voll umwerfender Melodien. Ein state of the art- Rockalbum des 21. Jahrhunderts und die mutmaßlich beste Foo Fighters-Scheibe. Bis dato.

Acht mal Acht mal Acht

Folgt jetzt das wohlverdiente Schläfchen auf den Loorbeeren? Mitnichten: Ein Dave Grohl denkt weiter, denkt größer, geht unter die Filmemacher, dreht eine tolle Doku über die das legendäre Sound City - Studio in L.A. und veröffentlicht jetzt Sonic Highways: Die achte Foo Fighters-Platte, mit acht Songs, jeder davon aufgenommen in einer der Städte Chicago, Washington, Nashville, Austin, Los Angeles, New Orleans, Seattle, New York – kurzum: acht musikalischen Mekkas der USA. Begleitend dazu produziert Grohl eine gleichnamige, selbstverständlich achtteilige, TV-Doku auf HBO, dem Abo-Sender der großen modernen Fernsehtriumphe (Boardwalk Empire, Game of Thrones, True Detective) und nennt es eine "Liebeserklärung an die Geschichte der amerikanischen Musik."

In Zeiten von Streaming und dem Aussterben des herkömmlichen CD-Album-Formats scheint das ein pompöses, an nahezu gigantomanischen Wahnwitz anmutendes Unterfangen, um letztlich doch nur eine neue Platte anzupreisen. Grohls zweifelsfrei fanatische Liebe zur Rock- und Popmusik hin und her: Am Ende muss Sonic Highways für sich allein überzeugen. Und was soll man sagen außer: Dave, du hast es wieder einmal geschafft!

Die achte FF-Scheibe klingt wie das kerngesunde, die Eltern gewaltig mit Stolz erfüllende und Babyhasser wie – enthusiasten gleichermaßen bezaubernde Neugeborene von Echoes, Silence, Patience & Grace und Wasting Light: Dem gefällig-langweilenden Altherren-Americana wird mit einer gehörigen Portion Schneidezahn-Riffs, Halsbrecher-Hooks, aber auch dem Wissen um eine 100-jährige amerikanische Musik-Geschichte aus Blues, Country, Folk und Rock'n'Roll abgeschworen. Der typische Foo Fighters-Sound bleibt dank Grohls Stimme erhalten, doch das Hymnische streift immer wieder auch das Kauzige so gekonnt, dass Sinfonien entstehen, die in Arenen genauso funktionieren wie in Garagen.

Ob im Madison Square Garden oder im Truck Stop, am kalifornischen Sandstrand oder in den Sümpfen Lousianas: Das Konzept von Sonic Highways geht prächtig auf, indem es die verschiedenen Einflüsse der acht Musikmetropolen soweit destilliert bis eine Essenz aus grundsätzlichen Gemeinsamkeiten entsteht – homogen verpackt in zeitgemäße Rockmusik.

"Fuck it all, I came from nothing"

Der Einstiegssong "Something From Nothing" kann als Leitmaß gelten. Dave Grohl erzählt hier (mit Rick Nielsen an der Cheap Trick-Gitarre) vom klassischen American Dream. Jener trügerischen Hoffnung, vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden, die sich zwar für ihn selbst erfüllte, aber doch sovielen Rock'n'Roll-Pionieren, allen voran den schwarzen Bluesmusikern, zeitlebens verwehrt blieb. "Fuck it all, I came from nothing", brüllt Grohl, nicht ohne Wut über diese bittere Tatsache, aber eben weiterhin die Fackel für die urarmerikanische "Jeder kann es schaffen"-Mentalität hoch haltend. Trotzig und dankbar zugleich. So kommentiert der 45-Jährige den American Way of Life, gewaschen im "muddy water".

Die folgenden sieben Stücke sind musikalisch wie textlich prall gefüllt mit bisweilen subtilen Anspielungen und Kniefällen vor bekannten und unbekannten Ikonen der US-Musikhistorie. Wobei es ganz ohne die Briten auch nicht geht: Das kleine Opus Magnus "What Did I Do?/God As My Witness", erwärmt Beatles-Herzen mit feinem Mellotron-Einsatz und endet in großer Freddie-Mercury-Geste, ein paar Jimmy Page meets The Edge - Passagen dürfen bei "Outside" oder "I Am A River" ebensowenig fehlen.

Was sich vor vielen Jahren angedeutet hatte und spätestens mit Wasting Light zur unausgesprochenen Wahrheit wurde, zementiert Sonic Highways nun sicht- und hörbar für alle: Die Foo Fighters sind momentan die wohl größte Rockband der Welt. Wie sie es geschafft haben? Durch Talent, harte Arbeit und ein wenig Glück. Eine Geschichte, wie sie nur in Grohl's Own Country geschrieben werden kann. Dave hat sie sich redlich verdient.

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