Schlimmer als Mord ist die Ungewissheit

9.6.2011, 19:21 Uhr
Schlimmer als Mord ist die Ungewissheit

© Horst Linke

NZ: Was machen Sie in diesem UN-Ausschuss?

Huhle: Es ist ein Ehrenamt. Der Ausschuss ist einer, wie es ihn zu den anderen großen Menschenrechtspakten schon gibt, zu wirtschaftlichen, sozialen und politischen Pakten. Und jetzt gibt es einen neuen Pakt, eine Konvention, die im Dezember in Kraft getreten ist, die Konvention gegen das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen. Unser Ausschuss besteht aus zehn Personen aus aller Welt, er hat sich aber noch nicht konstituiert. Ich denke, wir werden uns zum ersten Mal im Herbst in Genf beim Hochkommissar treffen.

NZ: Wie kamen Sie in den Ausschuss?

Huhle: Die Mitglieder werden von den nationalen Regierungen vorgeschlagen, die die Konvention bereits ratifiziert haben. Das sind 26 Staaten, einer davon ist die Bundesrepublik und ich bin vom Außenministerium angefragt worden. Der Ausschuss ist nur zuständig für Dinge, die nach Inkrafttreten der Konvention, also nach vergangenem Weihnachten passiert sind – und nach dem Beitrittsdatum der einzelnen Länder. Unterzeichnet haben bisher 87 Staaten, aber erst 26 haben ratifiziert.

NZ: Was ist die Problematik bei diesem Verschwindenlassen?

Huhle: Nüchtern betrachtet ist es so, dass diese Menschen meistens ermordet werden. Das wird aber verheimlicht, sie werden bei Nacht und Nebel entführt, wie schon unter Hitler. Dann werden sie häufig gefoltert und ermordet, aber die Leiche taucht nie auf. Die Angehörigen sind damit über Jahre und Jahrzehnte in Ungewissheit und Angst, oft auch traumatisiert. Es ist ein viel schlimmeres Verbrechen als eine Ermordung, wo man hinterher seinen Angehörigen begraben kann und einen Platz zum Trauern hat. Zwar sind dort Verbrechen wie Mord oder Vorenthalten von rechtlichem Gehör eigentlich abgedeckt, aber man hat es für nötig gehalten, nach den Erfahrungen in Chile und Argentinien, dieses Verbrechen nochmals eigens anzuprangern.

NZ: Was erwarten Sie von der Arbeit des Ausschusses?

Huhle: Ich hoffe, dass er auch praktisch arbeitet. Wir haben die Möglichkeit, auch Einzelfälle anzuhören, dann tätig zu werden und bei den Regierungen zu intervenieren. Das kann auch ganz kurzfristig gehen, ohne dass der ganze nationale Rechtsweg ausgeschöpft werden muss. Damit können wir das ganze Thema auch stärker ins Blickfeld rücken und bei den Staaten eine mahnende Funktion haben.

NZ: Haben Sie spezielle Staaten im Blick, die Menschen verschwinden lassen?

Huhle: Ich will der Arbeit nicht vorgreifen, aber es kommt in allen Teilen der Welt immer wieder vor. Das Verschwindenlassen ist immer noch nicht ausgerottet, sonst wäre die Konvention auch nicht nötig gewesen.

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