SÖR muss viele Unverschämtheiten einstecken

25.1.2012, 07:00 Uhr
Schlaglöcher – eines der Themen, das SÖR und die Autofahrer vor allem nach der Winterzeit beschäftigt.

© Harald Sippel Schlaglöcher – eines der Themen, das SÖR und die Autofahrer vor allem nach der Winterzeit beschäftigt.

Irgendetwas ist immer und irgend jemand ärgert sich immer. Wenn 500000 Menschen auf engem Raum zusammenleben, tun nicht alle stets das, was dem anderen gefällt. Der eine parkt sein Auto so, dass die Kehrmaschine den Straßenrand nicht reinigen kann. Der andere regt sich darüber auf, dass deshalb Laub liegenbleibt. Er ruft bei SÖR an, was sein gutes Recht ist.

Doch sein gutes Recht ist es nicht, die Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung zu beschimpfen. Wenn sie zum Beispiel erst nach dem vierten Mal Klingeln abgenommen hat, weil sie noch das Anliegen des Vor-Anrufers notiert hat. Und auch nicht, weil sie sagt, dass Sör nicht gleich und sofort jemanden mit dem Handbesen vorbeischicken kann, der die Blätter wegkehrt. Oder, dass SÖR gar nicht zuständig ist. Etwa, wenn es um gelbe Säcke geht.

„Wir sind dankbar für Hinweise, wenn etwas nicht in Ordnung ist“, sagt Ronald Höfler, der kaufmännische Leiter von SÖR. „Und wenn wir Fehler machen, räumen wir diese auch offen ein. Wir sitzen hier nicht auf einem hohen Ross.“ Aber, fügt er hinzu: „Wir sind auch nicht der Fußabstreifer.“ Wenn sich jemand beschweren wolle, dann solle er das in einem normalen Ton tun. „Wir reden mit den Leuten ja auch normal.“ Höfler ist es ein großes Anliegen, dass seinen Mitarbeiterinnen mit Respekt begegnet wird. „Ihre Arbeit ist wirklich nicht vergnügungsteuerpflichtig.“

Manche Anrufer sind Stammkunden, sie melden sich immer wieder. Manche schreiben Briefe, manche Mails – die elektronische Post ist oft besonders unverschämt. Je anonymer das Medium, desto mehr vergreifen sich die Leute in ihrer Wortwahl.

SÖR muss viele Unverschämtheiten einstecken

© Gabi Eisenack

Weiteres Beispiel: Eine Baustelle wird eingerichtet, wegen der Absperrungen fallen Parkplätze weg. „Das macht die Leute besonders wütend“, sagt Barbara Wolfinger. Sie sitzt am Sorgen- und Wuttelefon, so lange es Sör gibt, und hat sich schon viele schlimme Dinge anhören müssen. „Schlange“ ist da noch eine der harmloseren Varianten.

Barbara Wolfinger und Gabi Kohler sind im Moment zu zweit für die Service-Leitung zuständig, bald aber werden sie eine Kollegin zur Verstärkung bekommen und das ist gut so. „An manchen Tagen legt man gerade den Hörer auf, da klingelt es schon wieder“, sagt Gabi Kohler.

Auch sie ist von Anfang an dabei und einiges gewohnt. „Am liebsten würden uns manche Leute vorschreiben, wann wir zur Toilette gehen dürfen. Sie erwarten, dass wir immer für sie verfügbar sind.“ Und manche, fügt sie hinzu, wollen einfach nur ihren Frust loswerden. Um Beleidigungen auszuhalten zu können, müsse man lernen, sich abzugrenzen. „Man muss sich immer wieder sagen, dass man ja gar nicht persönlich gemeint ist“, sagt Barbara Wolfinger.

Mittlerweile haben die Frauen Strategien entwickelt, mit den Entgleisungen von Wutbürgern umzugehen. „Man muss klarstellen, dass man bei dem Ton nicht mehr bereit ist, weiterzudiskutieren. Ich sage dem Anrufer dann auch schon mal, er solle sich wieder melden, wenn er sich beruhigt hat“, sagt Gabi Kohler. Seit sie das SÖR-Sorgentelefon betreut, treibt sie mehr Sport als früher.

Das tut ihr gut. Und sie trainiert, in schwierigen Gesprächen ganz bei sich selbst zu bleiben. Telefonieren mag sie nach Dienstschluss nicht mehr. Barbara Wolfinger hat in der ersten Zeit viel Frust bei ihrem Mann abgeladen. Das ist jetzt vorbei, sie kann sich abgrenzen. Mittlerweile schafft sie das. Auch wenn sie am Telefon sogar schon über Monate hinweg bedroht worden ist. „Das geht natürlich an die Substanz.“

Die SÖR-Mitarbeiterinnen hören sich die Anliegen der Bürger an, natürlich gibt es auch die, die normal sprechen können, notieren sie und leiten sie an die zuständige Stelle weiter. Die schickt dann, so schnell es eben geht, einen Trupp aus, der sich um die Angelegenheit kümmert. Es kommt aber auch vor, dass jemand anruft und ein SÖR-Team etwa zum Schneeräumen bestellen möchte. Gegen Bezahlung. Was freilich nicht geht. „Wir sind ja kein Betrieb“, sagt Barbara Wolfinger. „Wir sind eine Dienststelle.“

Die Aufgaben, die SÖR hat, definiere der Stadtrat, wirft Ronald Höfler ein. „Wir sind Teil der Stadt Nürnberg und dürfen uns nicht als Wirtschaftsbetrieb betätigen.“

Servicebetrieb – ein schöner Begriff. So schön, dass er bis nach Berlin wirkt. Einmal hat ein Hauptstädter bei Frau Wolfinger angerufen und wollte sich über Umweltzonen in Berlin erkundigen. „Ich habe Sie im Internet gefunden“, sagte er der Nürnbergerin und wunderte sich, warum sie ihm nicht weiterhelfen konnte.

Einmal ist Barbara Wolfinger auf eine Radiostation hereingefallen. Da war jemand am Apparat, der die Richtung einer Einbahnstraße umkehren wollte. Da hat sie sich sehr gut geschlagen, sagt ihr Chef. Und einmal rief ein Mann an, der nicht mehr wusste, wie er seine Familie ernähren soll. „Er war sehr verzweifelt“, sagt Barbara Wolfinger. „Ich habe ihn dann an das Sozialamt vermittelt.“

Tel. 231–76 37, Montag bis Donnerstag von 8.30 bis 15.30, Freitag von 8.30 bis 13 Uhr.
 

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