Stadtarchiv: Besucher durften ins "Allerheiligste" blicken

5.3.2012, 07:48 Uhr
Stadtarchiv: Besucher durften ins

© Stefan Hippel

Bei den rund 500 Besuchern waren besonders die beiden Führungen durch das Stadtarchiv gefragt. Anstatt einer wurden jeweils zwei Gruppen durch das „Allerheiligste des Archivs“ geführt, wie es Horst-Dieter Beyerstedt formulierte. Vom Stadtarchiv-Mitarbeiter erfuhren die Besucher dabei nicht nur, wie das Signatursystem angelegt ist, sondern auch, mit welchen Problemen die Historiker und Archivare täglich zu kämpfen haben.

Zum Beispiel, dass sich die historischen Bestände aus den Jahren 1850 und später derzeit selbst zersetzen, während die Dokumente vor dieser Zeit von diesem Prozess verschont bleiben. Der Grund hierfür ist, dass ab Mitte des 19. Jahrhunderts Papier aus Holz hergestellt wurde. Dieses Papier ist säurehaltig und zersetzt sich nach 150 Jahren von selbst. „Gerade jetzt gehen zeitgeschichtliche Dokumente auf der ganzen Welt unwiederbringlich verloren.“

Stadtarchiv: Besucher durften ins

© Stefan Hippel

Es gebe unbezahlbare Methoden, um solche Dokumente zu konservieren und günstigere Methoden, die nicht so gut seien. „Pergament- und Hadernpapier aus Lumpen, die man vor dieser Zeit nutzte, sind dagegen beständig“, sagte der Archivar. Ob denn nicht die Digitalisierung ein Weg sei, das Problem zu lösen, fragte ein Besucher. „Ja, aber nur solange das dazugehörige Betriebssystem nicht veraltet ist.“

In dem Kellerraum, in dem die Einwohnerregister aufbewahrt werden, erläuterte der Archivar ein weiteres Problem. „Früher, im 19. Jahrhundert, wurden alle Unterlagen einheitlich verfasst, ordentlich gebunden und in schöner Schrift formuliert. Dann kamen irgendwann die Aktenordner und die Sachbearbeiter, die alle eine eigene Vorgehensweise hatten – ab da wurde es chaotisch.“ Archivare, die die Unterlagen von der Stadt bekommen, müssten bis heute viel Zeit für deren Vereinheitlichung aufbringen.

Stadtgeschichte wird hier konserviert

Stadtarchiv: Besucher durften ins

© Stefan Hippel

Während bis ins 19. Jahrhundert hinein vor allem Juristen in den Stadtarchiven arbeiteten, Urkunden lagerten oder Einträge in die Gerichtsbücher machten, sind heute vor allem Historiker dort tätig. „Hier wird die Stadtgeschichte konserviert“, sagte Beyerstedt. Neben Archivmaterial aus den Ämtern der Stadt, lagern im Keller des Stadtarchivs Urkunden, die bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen, Stiftungsunterlagen sowie Sammlungen aus Privat-, Firmen- oder Vereinsarchiven.

Vor einiger Zeit erhielt das Stadtarchiv aus dem Rheinland eine umfangreiche Sammlung aus dem 18. Jahrhundert über die Nürnberger Patrizierfamilie Holzschuher. „Leider ist sie zum Teil in einem schlechten Zustand.“ Die Dokumente, die zu Bündeln zusammengeschnürt wurden, müssen nun wiederhergestellt, verzeichnet und in säurefreie Kartons verpackt werden – um sie vor Licht und Zersetzung zu schützen.

Stadtarchiv: Besucher durften ins

© Stefan Hippel

Passend zum diesjährigen Thema „Feuer, Wasser, Krieg und andere Katastrophen“ hatte Archivleiter Michael Diefenbacher kostbare Schätze aus dem Keller hervorgeholt, um zu zeigen, wie damals über diese Themen berichtet wurde. Den Dankesbrief eines Pestkranken, der die Seuche im 16. Jahrhundert überlebt hat, konnten die vielen Interessierten ebenso bestaunen wie den Einzelbericht eines Feuerwehrmannes, der bei der Hochwasserkatastrophe von 1909 geholfen hat. Auch eine Zeichnung von sensationslustigen Menschen, die bei dem Hochwasser von 1595 ins Wasser stürzten, zeigte Diefenbacher. „Der Beweis dafür, dass es Gaffer auch schon im 16. Jahrhundert gab.“

 

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