Gaffer gehen ins Gefängnis

6.4.2021, 15:56 Uhr
Gaffer gehen ins Gefängnis

© Gerhard G./pixabay

Schaulustige, die sich in unverhohlener Sensationsgier an der Not und am Leid von Unfallopfern weiden, sind schon immer ein Ärgernis gewesen – mehr noch, eine untragbare Belastung und Belästigung. Dass inzwischen selbst in Verkehrsmeldungen der drastische Begriff "Gaffer" gewählt wird, ist insofern nur nachvollziehbar. 

Bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug

Seit es das allgegenwärtige Smartphone erlaubt, auch Fotos und Videoaufnahmen vom Unfallort anzufertigen, hat das Gaffertum noch dramatischere Dimensionen angenommen. Auch deshalb ist mit Jahresbeginn 2021 der Paragraph 201a des Strafgesetzbuches geändert worden und sieht nunmehr verschärfte Sanktionen gegen Neugierige vor. Bereits das Gaffen selbst, so heißt es beim Goslar Institut der HUK-Coburg-Versicherung, könne als Ordnungswidrigkeit bis zu 1000 Euro kosten. Wer aber Unfallopfer obendrein fotografiert oder filmt, riskiert neben einer Geld- auch eine Freiheitsstrafe, die maximal zwei Jahre erreichen kann.

Den strafrechtlichen Hintergrund liefern vor allem zwei der in Paragraph 201a StGB formulierten Punkte. Schuldig macht sich demnach, wer "eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt" und ebenso der, der "eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt".

Unterlassene Hilfeleistung

Zusätzlich können Neugierige womöglich wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. Dafür sieht der Gesetzgeber wiederum eine Geld- beziehungsweise eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor.

Es ist aber nicht nur das Unanständige, was die Sensationsgier so verwerflich macht. Dass man die Unfallstelle im Schneckentempo passiert, um ja ganz genau hinsehen und womöglich gar filmen zu können, hat zur Folge, dass Staus, zähfließender Verkehr und Gefahrensituationen entstehen – übrigens auch auf der Gegenfahrbahn.

Problem für Rettungskräfte

Viel folgenschwerer noch: "Für Einsatz- und Rettungskräfte sind die immer häufiger anzutreffenden Gaffer eine echte Herausforderung", wie das Goslar Institut feststellt. Oft genug werden die Helfer bei ihrer Arbeit in Gefahr gebracht oder zumindest behindert – beispielsweise, weil sie gar nicht zu den Verunglückten vordringen können. Die Aufforderung, den Weg doch bitte freizumachen und das Handy wegzustecken, wird häufig nicht einsichtig befolgt, sondern mit einem achselzuckenden "Ich gucke doch nur" beantwortet. Und im schlimmsten Falle schlägt den Helfer sogar pure Aggression entgegen.

ule