Gespeicherte Fahrdaten: Vom Auto überführt

26.1.2020, 16:40 Uhr
Gespeicherte Fahrdaten: Vom Auto überführt

© Dekra-Solutions

Es war, vor Jahren schon, ein schwerer Verkehrsunfall auf einer niederbayerischen Bundesstraße: Ein vorfahrtberechtigter Kleintransporter prallt im tempobeschränkten Baustellenbereich einer Bundesstraße gegen einen querenden Pkw, dessen Fahrerin ein Stoppschild missachtet hat.

Die Frau stirbt bei dem Unfall.

Die Schuldfrage ist klar. Oder?

Eben nicht. Ein unfallanalytisches Gutachten ergab, dass die Autofahrerin zwar einen Fahrfehler begangen hatte, der Kleintransporter aber wenige Stundenkilometer zu schnell gewesen war. Wäre er korrekt 60 km/h gefahren, hätte er den Wagen der Frau nicht oder nur am Heck getroffen. Das Ganze ging vor Gericht, der Transporterfahrer wurde verurteilt.

Autofahrer, die gerne ein wenig mehr auf dem Tacho haben als erlaubt, gehen also eine große Gefahr ein. Sie wähnen sich in falscher Sicherheit. Dabei ist es möglich, ihnen nachzuweisen, dass sie schuldig oder zumindest mitschuldig an einem Unfall sind. Dies funktioniert möglicherweise bald sogar hieb- und stichfest – anhand der im Fahrzeug gespeicherten Daten.

Gespeicherte Fahrdaten: Vom Auto überführt

© Bosch

Daran arbeitet auch die EU. Bald soll es so weit sein, dass "entscheidende Informationen einige Sekunden vor einem Zusammenstoß" gespeichert werden. Lkw verfügen bereits über die Technik.

Gerichtsbeschluss notwendig

Tempo, Drehzahl, Gangwahl, Gaspedalstellung und vieles mehr könnten ausgelesen werden. Noch ist das nicht gängig und es bedarf in der Regel auch eines Gerichtsbeschlusses, damit die Fahrzeughersteller dem Gutachter das Verwerten der Daten ermöglichen. So geschehen ist das bereits, konkret bei einem privaten Autorennen mit Unfall in Köln.

Dem Erfassen solcher Daten ist aber bereits der Weg bereitet, denn viele der neuesten Autos verfügen über einen "Event-Datenrecorder". Bosch etwa ist hier involviert. In den USA sind "Black-Boxes" schon seit vielen Jahren verbreitet und kommen nun nach und nach auch zu uns. Die Sachverständigen Brockmann aus Kottenheim dazu: "Mittlerweile gibt es schon eine ganze Reihe von Fahrzeugen auf europäischen Straßen, die mit dem Bosch CDR Tool oder anderen Werkzeugen auslesbar sind . Und die Anzahl wird sich in der nächsten Zeit rasant vergrößern".

Die Methoden ändern sich

Derzeit wertet man in der Regel Bremsspuren (bei ABS problematisch), die Schwere der Blechschäden, geometrische Messungen und anderes aus, was auch Rückschlüsse auf das gefahrene Tempo zulässt. Laut Stefan Peterhansel, bei der Dekra in Erlangen mit der Unfallanalytik beschäftig, ist das auch heute noch die gängige Vorgehensweise.

Peterhansel weiß aber auch, dass es künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit noch mehr Möglichkeiten gibt, all jene, die zu spät gebremst oder zu sehr beschleunigt haben beziehungsweise die zu schnell gefahren sind, auszuforschen und letztlich zur Verantwortung zu ziehen.

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Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) kennt die Thematik und spricht vom "gläsernen und verratenen Fahrer", verweist aber ebenso darauf, dass man von den erfassten und ausgelesenen Daten andererseits auch entlastet werden kann.

Daten als "pures Gold"

"Für die Unfallermittler", heißt es in einem DAV-Statement, "sind die Daten pures Gold: Bei einem Zusammenstoß auf einer Kreuzung muss so die Geschwindigkeit der Fahrzeuge nicht mehr anhand der Deformation grob geschätzt werden. Ein Blick in den Fahrzeugspeicher würde eindeutige Daten liefern: Wie schnell war das Fahrzeug beim Zusammenprall? In welcher Sekunde hat der Fahrer gebremst? Es bleiben keine Zweifel".

Beschlagnahme der Daten

Dr. Daniela Mielchen, Mitglied im DAV, bestätigt: "Nach heutiger Gesetzeslage wäre es möglich, dass die Ermittlungsbehörden nach einem Unfall die Daten eines Fahrzeuges beschlagnahmen". Modernste Fahrzeuge könnten noch viel mehr Daten erfassen und diese gegebenenfalls sogar online an die Hersteller liefern. Das aber sei problematisch: "Das verletzt nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern lässt auch das Aussageverweigerungsrecht leer laufen".

Die bis dato ungeklärte Gretchenfrage dabei: Wem gehören die Fahrzeugdaten eigentlich? Der Gesetzgeber hat für diese Thematik offenbar noch keine verbindliche Vorgaben.

Andererseits ist es nicht auszuschließen, dass ein Verunfallter, der sich absolut keiner Schuld bewusst ist, auf eigene (hohe) Kosten den Speicher seines Wagens auslesen lässt – und so gegen den Unfallgegner vor Gericht zieht. Alternativ ist der Einbau eines eigenen Unfallrekorders (UDS) möglich. Dies würde dann mit einem (geringen) Rabatt bei der Autoversicherung belohnt.

Gerhard Windpassinger

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