Land Rover Defender: Das Warten hat ein Ende

11.9.2019, 01:06 Uhr
Land Rover Defender: Das Warten hat ein Ende

© Hersteller

Schwer sei ihm das Herz geworden vor fast vier Jahren, sagt Richard Agnew, sehr, sehr schwer. Mit seinem Abschiedsschmerz stand der Kommunikationschef von Land Rover nicht alleine da. Weltweit betrauerte eine große Fangemeinde das Aus für den Defender, dessen Produktion im Januar 2016 eingestellt wurde, vorerst ersatzlos. Unerfüllbare Anforderungen an Fußgängerschutz und Abgasreinigung hatten der britischen Ikone die Karriere gekostet, fortan musste der Defender die Höhen, Tiefen und Fluten extrem unwegsamen Geländes den Konkurrenten Mercedes G-Klasse, Toyota Landcruiser und Jeep Wrangler überlassen.

D-Day auf der IAA

An diesem Septembermontag aber ist D-Day, Tag des neuen Defenders, dem seine Anhänger mit maximaler Spannung entgegengefiebert haben. Für Massimo Frascella endet mit der Premiere eine fordernde Schaffensperiode. Nichts sei für seinen Berufsstand schwieriger, als eine automobile Legende neu zu erfinden, sagt der Exterieur-Designer. Seit 71 Jahren gibt es den robusten Haudegen schließlich schon, Land Rover ist ohne den Defender schlicht nicht denkbar.

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Auch wenn mit ziemlicher Sicherheit der eine oder andere Fundamentalist darüber murren dürfte, dass der Neue einfach nicht mehr der charaktervolle Alte sei: Herrschaften, so muss es eben sein bei einem Generationswechsel! Und dem Designteam ist es gelungen, den abenteuerlustigen Haudegen so gekonnt zu modernisieren, dass seine ikonischen Formen unverkennbar erhalten geblieben sind. So simpel sei die Silhouette, dass sogar ein Kind sie mit wenigen Strichen nachzeichnen könne, sagt Frascella. Ultrakurze Überhänge, aufrechte Front, steile Rückpartie, seitlich angeschlagene Hecktür mit außen angebrachtem Ersatzrad – fertig.

Zwei Längen, zwei Radstände

Sein neues Leben beginnt der Defender im kommenden Frühjahr als Variante "110", fünftürig und 5,02 Meter lang. Später im Jahr folgt der kürzere Dreitürer "90". Auch eine extralange 130er-Version gilt als beschlossene Sache. Kunden können unter drei Dachvarianten wählen - einem festen Überbau, einem mit der buchstäblichen Offenbarung eines großen Panoramadachs und einem zurückfaltbaren Canvas-Top.

Weiter optimiert wurde die schon bislang legendäre Offroad-Kompetenz des Defenders. Auch künftig lässt er jedes weichgespülte SUV kaltlächelnd stehen. Basis ist die neuentwickelte D7x-Karosseriearchitektur aus selbsttragendem Aluminium-Monocoque in Kombination mit Einzelradaufhängung. Die neu eingeführte, elektronisch geregelte Luftfederung stellt sich automatisch auf den befahrenen Untergrund ein, emsig überwachen dabei die adaptiven Dämpfer die Karosseriebewegungen, 500 Mal pro Sekunde führen sie ihren Check durch. Geht es über Stock und Stein, stellt der Defender im Bedarfsfall bis zu 14,5 Zentimeter mehr Bodenfreiheit bereit, maximal ergeben sich so beinahe 30 Zentimeter. Umgekehrt senkt eine Arrival-Funktion den Offroader beim Anhalten zuvorkommend um fünf Zentimeter ab, um bequemen Ein- und Ausstieg zu gestatten.

Kein Ende im Gelände

Seitliche Schräglagen von 45 Grad schrecken den Gelände-Profi ebensowenig ab wie 45-Grad-Steigungen, die Allradtechnik arbeitet mit zweistufigem Verteilergetriebe, sperrbarem Mittendifferenzial und optional einem aktiven Hinterachsdifferenzial. Damit soll der Brite so ziemlich allem gewachsen sein, was ihm im Lauf seines abenteuerlichen Lebens unter die Räder kommt, Land Rover denkt hierbei an Expeditionen durch weichen Wüstensand ebenso wie an Touren über gefrorene Tundra-Böden.

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Je nach Gusto und Kompetenz kann der Fahrer dabei selbst steuernd eingreifen, wobei ihm ein Touchscreen als Schaltzentrale zur Verfügung steht, oder aber sich der intelligenten Automatik-Funktion anvertrauen. "Terrain Response 2" sorgt auch dafür, dass der Defender baden geht, ohne dabei abzusaufen: Der Wat-Modus dämpft die Gasannahme, schaltet Heizung und Lüftung auf Umluft, sperrt die Differenziale und liftet die Karosserie auf Offroad-Höhe. Über den Bildschirm lässt sich verfolgen, welch tiefe Wasser gerade durchpflügt werden, maximal sind 90 Zentimeter drin. Und wenn der Brite den Fluten wieder entsteigt und den Wat-Modus verlässt, aktiviert das System mal kurz die Bremsen, um die Scheiben zu trocknen und zu reinigen.  

Hilfreiche Unterstützung im Gelände leisten eine 360-Grad-Ansicht aus der Vogelperspektive sowie eine Technologie namens "Clear Sight Ground View", sie macht die Motorhaube quasi durchsichtig, indem Kameras die Bilder des befahrenen Terrains auf den Bildschirm im Armaturenträger einspielen.

Raubein und Reisebegleiter

Seit der erste Defender anno 1948 in Amsterdam das Licht der Welt erblickt hat, habe sich "die Welt massiv verändert", sagt Creative Director Massimo Frascella sehr richtig. Dazu gehört auch, dass die Ansprüche der Kunden andere geworden sind, Geländekompetenz wollen sie nicht mehr mit rumpelhartem Gebaren auf der Straße bezahlen. Mit dem neuen Defender könne man auch nach mehreren hundert Kilometern Fahrt noch feste Nahrung zu sich nehmen, stellt Land Rovers Strategievorstand Hanno Kirner fest und spielt damit auf die Fähigkeit des Raubeins an, bedarfsgerecht zum komfortablen Reisegefährt zu mutieren.

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Dies manifestiert sich auch durch Luxus im Interieur, ein neues Infotainmentsystem, voller Vernetzung sowie durch räumliche Variabilität. Letztere stellt sich dann so dar, dass der Defender wahlweise als Fünf- oder Sechssitzer zu ordern ist, der Defender 110 auch als Siebensitzer. Die sechssitzige Konfiguration ergibt sich durch einen mittigen "Jump Seat" in erster Reihe, der umgeklappt zur Armauflage wird. Der Kofferraum packt im Defender 110 je nach Sitzkonfiguration 160 bis 1946 Liter weg.

Zwei Benziner, zwei Diesel

Motorseitig kann die Kundschaft vorerst unter vier Motoren wählen, allesamt mit Achtgang-Automatikgetriebe kombiniert. An Turbo-Benzinern stehen der P300 mit 221 kW (300 PS) starkem Zweiliter-Vierzylinder sowie der Mildhybrid P400 MHEV mit 294 kW (400 PS) leistungsfähigem Reihensechszylinder, 48-Volt-System und integriertem Startergenerator bereit. Wer einen Diesel präferiert, wird mit einem Zweiliter-Vierzylinder-Twinturbo der Leistungsstufen 147 kW (200 PS) und 177 kW (240 PS) bedient, die entsprechenden Varianten laufen unter der Bezeichnung D200 und D240. Ein Plug-in-Hybrid soll die Antriebspalette noch im nächsten Jahr ergänzen. Am sparsamsten agieren erwartungsgemäß die beiden Diesel, die jeweils auf einen Normverbrauch (NEFZ) von 7,7 bis 7,6 Litern kommen, entsprechend 204 bis 199 g/km CO2.

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Neben den Ausstattungsvarianten S, SE, HSE, First Edition und Defender X führt die Preisliste vier verschiedene Zubehörpakete namens Explorer, Adventure, Country und Urban auf, deren jeweils typische Extras aber auch individuell bestellt werden können, vom Dog-Package mit portabler Hundedusche über die seitlich an der Karosserie angebrachte Box bis hin zum Dachzelt und den ausfahrbaren wasserfesten Sonnensegeln.

Die Auftragsbücher für den neuen Defender 110 sind bereits geöffnet, sie weisen Preise ab 55.600 Euro aus. Wer den Defender 90 ordern möchte, muss bis Anfang 2020 warten und hat mit mindestens 49.700 Euro zu rechnen.

Ulla Ellmer

Land Rover Defender 110 in Kürze:

Wann er kommt: Bereits bestellbar, Auslieferung ab Frühjahr 2020

Wen er ins Visier nimmt: Mercedes G-Klasse, Toyota Land Cruiser

Was ihn antreibt: Benziner mit 221 kW (300 PS) und 294 kW (400 PS), Diesel mit 147 kW (200 PS) und 177 kW (240 PS)

Was er kostet: Ab 55.600 Euro

Was noch kommt: Plug-in-Hybrid, Dreitürer Defender 90, wahrscheinlich Langversion Defender 130

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