Messen mit zweierlei Maß

28.10.2018, 09:28 Uhr
Messen mit zweierlei Maß

© Magistrat Wien/eigene Grafik

Was die Stickoxid- Belastung und die daraus resultierenden Dieselfahrverbote betrifft, so mehren sich die Zweifel an den amtlichen Messungen. Und das aus gutem Grund: Denn anders als in der von der EU vorgegebenen Toleranz werden die deutschen Mess-Stationen fast ausnahmslos direkt an den Straßenrändern positioniert.

Eigentlich wollte die EU mit ihrer Richtlinie erreichen, dass die Schadstoffmessungen europaweit vergleichbar sind. Das aber sind sie mit Sicherheit nicht, denn Deutschland misst offenbar päpstlicher als der Papst, während die Angelegenheit in anderen Ländern großzügiger gehandhabt wird und dann von Belastungen keine Rede ist.

Weit und breit kein Autoverkehr

Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist die österreichische Hauptstadt Wien. Die zentrumsnahen Mess-Stellen sind fast ausnahmslos weitab der Hauptverkehrsstraßen positioniert. Geradezu grotesk mutet die Mess- Stelle im Zentrum an. Sie befindet sich auf dem Dach des Mesner-Hauses am Südturm des Stephansdoms. Nur: Drum herum hat es eine Fußgängerzone - und weit und breit keinen Autoverkehr.

Passend dazu die Kontrolle am vielbefahrenen, mehrspurigen Währinger Gürtel, einer Hauptverkehrsachse im Nordwesten. Die dort zugeordnete Messanlage steht 161 Meter (!) entfernt auf dem teilbegrünten Gelände des Allgemeinen Krankenhauses (AKH). Und auch an einem anderen Verkehrs-Brennpunkt (sechsspurige Autobahn A23/Reichsbrücke/fünfspuriger Handelskai) wurde die Mess- Stelle weit weg gerückt - in die bescheiden befahrene und (Busverkehr ausgenommen) auch noch einbahnige Wehlistraße. An einer Seite umgeben von lauschigem Grün, weit genug weg von den Hauptverkehrsachsen.

Ähnliches gilt für einen anderen innerstädtischen Hotspot. Der Verkehr tobt im Triangel der Schönbrunner Straße, der Linken Wiener Zeile und der Bundesstraße 221. Doch die Mess-Station steht nicht an einer der Kreuzungen, sondern in der Dunklergasse 1-7 und damit 146 Meter vom Schauplatz des Geschehens entfernt. Die einzige straßennahe Station (Taborstraße/Ecke Glockengasse) fällt eher auch durchs Raster: Eine Hauptverkehrsader scheint diese zweispurige Straße gerade nicht zu sein. Und immerhin: Der Abstand zu Hauswänden beträgt hier zwölf bis 19 Meter. Die berüchtigste deutsche Station (Neckartor, Stuttgart) schmiegt sich hingegen in ein Hauseck - gerade mal eineinhalb bis zwei Meter vom Fahrbahnrand entfernt. Nicht sehr viel besser sieht es mit vielen anderen deutschen Stationen aus - auch mit jener in der Von-der-Tann-Straße in Nürnberg, die unmittelbar am Straßenrand positioniert ist und recht nah zu einer Hausmauer steht. Dramatisch stellt sich die NOx-Situation hier dennoch nicht dar, von 2008 bis 2017 ist der Jahresmittelwert NOx von 55 auf 43 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gesunken und liegt somit nur noch minimal über dem erlaubten Grenzwert von 40 Mikrogramm.

Deutschland müsste so nicht messen

Festzuhalten bleibt aber, dass Deutschland so nicht messen müsste. Vereinfacht gesprochen: Die Stationen können bis zu zehn Meter weit von einem Straßenrand entfernt stehen, rundherum soll es um 270 Grad freie Ansaug- und Ausblasmöglichkeit geben und eine Mindestentfernung von Kreuzungen (25 Meter). Verantwortlich für die von der EU nicht verlangte, verschärfte Aufstellung deutscher Stationen ist letztlich das Bundesumweltministerium von Svenja Schulze (SPD) und das nachgeordnete Umweltbundesamt.

So gesehen macht es Wien richtig, misst die Belastung in einem Stadtviertel und nicht an einem einzigen Straßenpunkt. Denn es ist bekannt, dass nur etwas weiter weg von den Straßen - wenn überhaupt - eher geringere Übertretungen registriert werden. So wie in Wien, Athen und anderswo. Kein Wunder, dass bei uns die Messergebnisse schlechter ausfallen. Eine deutsche Boulevard-Zeitung argwöhnte gar, dass wir "die Messdeppen Europas" seien.

Ausbaden müssen dies die hiesigen Autofahrer und womöglich auch alle Steuerzahler, denn Strafzahlungen der EU sind nicht ausgeschlossen.

wpr

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