Neuer Audi A8: Kann mehr, als er darf

6.10.2017, 19:38 Uhr
Neuer Audi A8: Kann mehr, als er darf

© Hersteller

Mit dem A8 hat Audi zwar einen festen Vertreter im Quartett der deutschen Luxuslimousinen etabliert. Letztlich aber ist das Ingolstädter Flaggschiff stets nur Juniorpartner gewesen, der Mercedes S-Klasse, BMW 7er und zuletzt sogar den Porsche Panamera bei den Verkaufszahlen ziehen lassen musste.

Jetzt soll der A8 aber wieder aufschließen und, mehr noch, dem einen oder anderen Konkurrenten die schick animierte Heckleuchtengrafik zeigen. Die vierte Generation der Edel-Limousine ist bis unters Dach vollgepackt mit hochkarätigen Technologien und einem Nobel-Ambiente, das auch den Ansprüchen von Staatsmännern und Topmanagern gerecht werden soll.

Der beste Platz ist hinten rechts

Der beste Platz ist hinten rechts. Das gilt in besonderem Maße für die Langversion, die den 5,17 Meter langen Normal-A8 um weitere 13 Zentimeter übertrifft. Der Luxus der mit weichem Leder und feinen Hölzern sowie dunkel glänzendem Klavierlack ausgekleideten Lounge auf Rädern gipfelt in einem vielfach verstellbaren Ruhesitz, dessen Fußablage dem von bedeutendem Tun gestressten Passagier die Füße nicht nur wärmt, sondern auch massiert. Außerdem findet der Herr respektive die Dame neben den Tablets des Rear-Entertainment-Systems eine smartphonegroße und herausnehmbare Bedieneinheit mit OLED-Display vor.

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Wer selbst ans Steuer greift, sieht sich mit der Wunderwelt eines neuen digitalen Bedienkonzepts konfrontiert. Nach Betätigen des Startknopfs flammen gleich drei Displays mit gestochen scharfer Darstellung auf. Eines gehört zum digitalen "Virtual Cockpit" hinterm Lenkrad, ein großer Touchscreen dient der Steuerung des Infotainments, ein weiterer der Regelung von Klimatisierung und Komfortfunktionen. Einzig verbliebenes Bedienelement aus der prädigitalen Vorzeit ist der konventionelle Drehknopf zur Lautstärkeregelung, selbst der MMI-Dreh-Drück-Steller des Vorgängers ist aus dem Cockpit geflogen. Nunmehr ist Wischen, Zoomen, Touchen und das individuelle Verschieben der "Kacheln" angesagt, was allerdings dazu führt, dass nach gewisser Zeit unschöne Fingerabdrücke das Edel-Ambiente verunzieren. Auf jede Berührung des Screens erfolgt eine haptische und akustische Rückmeldung in Form eines sanften "Klicks". Das baut eine Brücke zu den konventionellen Bedienkonzepten früherer Zeiten. Für die - vermutlich überwiegenden - Non-Digital-Natives unter den A8-Kunden könnte die knopfbefreite Schaltzentrale durchaus eine Herausforderung sein, auch wenn Entwickler Martin Tortlepp darauf hinweist, dass doch "inzwischen jeder dritte Mensch auf Erden ein Smartphone" besitzt.

Kryptisches Gekrakel dechiffriert

Immerhin: Die handschriftliche Befehlseingabe funktioniert so gut, dass selbst kryptisches Gekrakel und Abkürzungen wie "Hbf" dechiffriert werden. Und auch die sprachliche Kommunikation läuft bestens; die Klage "mir ist kalt" beantwortet eine freundliche Damenstimme umgehend mit der Frage, wie hoch die Temperatur denn geregelt werden dürfe.

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Während sich der "kurze" A8 eher an den Selbstfahrer wendet, ist die 5,30-m-Langversion als Chauffeurs-Limousine konzipiert. Doch schon zeichnet sich eine Zukunft ab, in der dieser Chauffeur um seinen Arbeitsplatz bangen dürfte. Oder zumindest für einige Zeit die Hände in den Schoß legen wird. Als erstes Serienautomobil der Welt - sagt Audi - ist der A8 nämlich für hochautomatisiertes Fahren nach Level 3 konzipiert. Das heißt: Wenn der sogenannte "Staupilot" übernimmt, fährt der Wagen bis zu Tempo 60 selbstständig an, beschleunigt, bremst und lenkt. Kennt man schon? Ja. Aber nicht so. Level 3 bedeutet nämlich, dass der Fahrer sich derweil anderen Beschäftigungen widmen kann - dem Schreiben von E-Mails, dem Lesen eines Buchs, dem Gucken eines Films. Bevor er wieder selbst eingreifen muss, gewährt ihm das System zehn Sekunden Zeit, um sich zu sortieren.

Klingt gut und funktioniert gut. Was im Augenblick noch fehlt, ist jedoch die rechtliche Grundlage. "Wir sind zuversichtlich, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen bis 2019 geschaffen werden", sagt Entwicklerin Stefanie Edler. Erst dann soll der Level-3-Staupilot tatsächlich im A8 eingeführt werden, eine Nachrüstmöglichkeit wird es leider nicht geben.

Ferngesteuert Ein- und Ausparken

Andere Bestandteile des AI-Systems ("Artificial Intelligence") sind indes schon 2018 verfügbar. Der Park- und Garagenpilot beispielsweise, mit dem der A8 selbstständig und mit Hilfe einer plakativen Menüstruktur in Längs- und Querparklücken beziehungsweise in die Garage und wieder heraus rangiert, gerne auch ferngesteuert übers Smartphone. Mercedes S-Klasse und 7er BMW können das allerdings schon jetzt. Außerdem laviert sich das Audi-Flaggschiff mittels Manövrier-Assistent selbstständig durch diffiziles Geläuf und bleibt so vor Parkremplern geschützt.

Möglich gemacht werden die hochautomatisierten Fahr-Fähigkeiten durch ein zentrales, tabletgroßes Fahrerassistenzsteuergerät (zFAS), das eine immens hohe Rechnerleistung aufbietet und das die von zahlreichen Sensoren, einer Frontkamera und einem Laserscanner gelieferten Daten "fusioniert". Das kommt auch den insgesamt 41 Fahrerassistenzsystemen zugute, zu denen beispielsweise eine Bordsteinwarnung (zum Schutz der empfindlichen Leichtmetallfelgen) gehört, aber auch eine Ausstiegswarnung, die das Öffnen der elektrischen Türschlösser verzögert, wenn sich ein Fahrradfahrer von hinten nähert.

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Jeder A8 ist ein Mildhybrid

Alle A8-Versionen tragen nunmehr das Kürzel "MHEV" im Namen. Was wie ein Hüsteln klingt, meint das standardmäßige Mild-Hybrid-System für den elektrifizierten Antriebsstrang. Die MHEV-Technologie basiert auf einem 48-Volt-Bordnetz, das einen Riemenstartergenerator (treibt die Kurbelwelle an) und eine Lithium-Ionen-Batterie mit 10 Ah elektrischer Kapazität integriert. Somit kann der A8 im Geschwindigkeitsbereich zwischen 55 und 160 km/h sowie unterhalb von 22 km/h (also im verlängerten Start-Stopp-Betrieb beim Zurollen auf eine Ampel) den Motor abschalten und bis zu 40 Sekunden lang emissionsfrei "segeln". Wenn der Fahrer wieder aufs Gas geht, springt der Verbrenner nahezu unmerklich wieder an. Audi verspricht sich (und dem A8-Kunden) einen Verbrauchsvorteil von bis zu 0,7 l/100 km.

Zum Verkaufsstart Ende November dienen sich zunächst zwei Dreiliter-V6-Turbomotoren an, die serienmäßig mit einer Achtgangautomatik und Allradantrieb kooperieren. Im A8 50 TDI nimmt ein 286 PS starker Diesel mit satten 600 Nm Drehmoment seinen Dienst auf, der A8 55 TFSI arbeitet mit den 340 PS und 500 Nm eines TFSI-Benziners. Das Spitzentempo ist jeweils auf 250 km/h begrenzt. Mehr Motor, so die Erkenntnis nach ersten Testfahrten, braucht kein Mensch. Sowohl der Diesel wie auch der Benziner sind souveräne Antriebsquellen, die keinerlei Mühe mit der Aufgabe haben, die rund zwei Tonnen Lebendgewicht des Audi-Flaggschiffs in angemessenen Vortrieb zu versetzen. Während der Diesel beim Verbrauch intensiver punkten kann (nach Norm 5,8 l/100 km, laut Bordcomputer 7,8 l), hat der Benziner beim Ansprechverhalten und bei der Laufruhe die Nase vorn.

Acht- und Zwölfzylinder folgen

Wer auf die Reputation von mehr Zylindern Wert legt, muss sich bis 2018 gedulden. Dann kommen V8-Diesel (435 PS) und V8-Benziner (460 PS) sowie der Zwölfzylinder-Imageträger W12 mit 585 PS. Auch ein Plug-in-Hybrid mit 449 PS Systemleistung ist avisiert, der sich ganz ohne Kabelsalat induktiv aufladen lässt.

Dass sich der lange Luxusliner erstaunlich wendig durch den Stadtverkehr schlängelt, ist auch der Allradlenkung zu verdanken, die zudem den Wendekreis auf 11,4 bzw. 11,8 Meter (A8 L) verkleinert, was nicht sehr viel mehr ist als bei einem VW Golf. Serienmäßig sorgt eine adaptive Luftfederung für standesgemäßen Fahrkomfort, die Fährnisse mieser Pisten werden kompetent ausgebügelt, so dass der A8 auf beinahe jedem Untergrund sämig satt und ruhig auf der Straße liegt. Aber es soll noch mehr möglich sein: Beim "AI Aktivfahrwerk" sitzt an jedem Rad ein separat angesteuerter elektromechanischer Stabilisator, was einerseits eine aufrechte Haltung in Kurven und andererseits eine je nach Fahrdynamik-Einstellung weit gespreizte Charakteristik des Fahrverhaltens ermöglichen soll. Und wenn ein Seitenaufprall droht, wird die Karosserie blitzschnell um bis zu acht Zentimeter angehoben, damit der Crash auf die stabileren Zonen der Limousine erfolgt. Das Aktivfahrwerk kommt allerdings erst im nächsten Jahr, es ist den V8-Modellen als Option vorbehalten, der W12 bekommt es serienmäßig.

Die anspruchsvolleren unter den A8-Kunden müssen also Geduld mitbringen, Geld brauchen sie indes alle. Der A8 50 TDI startet bei 90.600, der A8 L bei 94.100 Euro. Zumindest preislich hat das Ingolstädter Flaggschiff seine deutschen Mitbewerber somit schon überflügelt.

Ulla Ellmer

Audi A8 in Kürze:

Wann er kommt: Auslieferung ab Spätherbst (November)

Wen er ins Visier nimmt: Mercedes S-Klasse, BMW 7er, Porsche Panamera

Was ihn antreibt: Dreiliter-V6-Motoren mit 286 PS (Diesel) und 340 PS (Benziner)

Was er kostet: Ab 90.600 Euro, Langversion A8 L ab 94.100 Euro.

Was noch folgt: V8-Diesel mit 435 PS, V8-Benziner mit 460 PS, W12-Benziner mit 585 PS, Plug-in-Hybrid mit 449 PS Systemleistung

 

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