„Bei uns kann sich keiner verstecken !“

22.9.2016, 17:25 Uhr
„Bei uns kann sich keiner verstecken !“

© Foto: Christian Klenk

Als erstes flog der alte Schreibtisch raus. Nicht weil er zu alt, sondern weil er zu groß war. So groß war er zwar gar nicht, aber er hätte keinen Platz mehr gehabt neben dem viel größeren Tisch, den Prof. Gabriele Gien unbedingt in ihrem Amtszimmer haben wollte: ein uraltes Monstrum, gut fünf Meter lang, an dem leicht auch mal ein Dutzend Leute sitzen können.

„Offenheit, Transparenz, Kommunikation“ lautet ein Motto von Gabriele Gien, die am 1. Oktober ihr Amt als gewählte Präsidentin in Eichstätt antreten wird. Einen kleinen Schreibtisch, um auch mal einsam über einem schwierigen Problem zu brüten, braucht sie natürlich auch.

Aber weitaus wichtiger für ihre Amtsführung soll der riesige Besprechungstisch werden: „Entscheidungen, die die ganze Hochschule betreffen, müssen aus der Mitte der Hochschule kommen!“, sagt sie.

Außer dem Mobiliar ändert sich wenig. Schließlich fungiert Gabriele Gien schon seit zwei Jahren als Präsidentin der KU, allerdings bisher „nur“ kommissarisch. In dieser Zeit hat sie eifrig versucht, ihr Credo von Offenheit und Kommunikation vorzuleben – ohne zu wissen, ob es sich auch wirklich lohnen würde für sie.

Denn in der langen Geschichte von Pannen bei der Präsidentenwahl an der KU gab es schon einmal einen Fall, in dem es ganz anders lief. Da fiel ein – nach außen anscheinend erfolgreich arbeitender – Interimspräsident bei der Wahl gegen einen – anscheinend der Form halber aus dem Hut gezauberten – externen Gegenkandidaten böse durch.

Was war diesmal anders? Warum hatte der Gegenkandidat keine Chance gegen Gabriele Gien? „Ich denke, es hängt damit zusammen“, antwortet sie, „dass ich schon in meiner kommissarischen Amtszeit versucht habe, möglichst viele aus der Hochschule mit ins Boot zu nehmen.“

Zwei Jahre lang geübt

Jetzt, wo alles gut für sie gegangen ist, lassen sich die vergangenen zwei Jahre als Eingewöhnungszeit verbuchen. Und schon lange vor dem offiziellen Amtsantritt, gleich nach der Wahl im Juni, hat die Präsidentin begonnen, richtig loszulegen. Denn „seit der Wahl habe ich eine ganz andere Legitimation als zuvor“, sagt sie „und ich kann die Dinge auf eine Sicht von fünf Jahren angehen.“

Sehr hilfreich ist dabei die Tatsache, dass sich der Träger der KU, die katholische Kirche, verpflichtet hat, ihren finanziellen Beitrag dauerhaft aufzustocken: Statt bisher zwölf Millionen Euro jährlich gibt es künftig 5,5 Millionen mehr.

Neues Zentrum für Forschung

Viel Geld, mit dem man ein Menge machen kann. Zum Beispiel forschen: Um die Forschungsaktivitäten der KU zu bündeln und auszubauen, hat ihr die Präsidentin schon gegen Ende der Interimszeit ein Zentrum für Forschungsförderung (ZFF) verpasst.

Es soll zum einen Wissenschaftler der KU dabei unterstützen, Drittmittel einzuwerben und einzusetzen. Zum anderen soll es die Hochschulleitung bei der Steuerung und beim Management von Forschungsprozessen beraten.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt soll dabei künftig der Themenkomplex „Kirche – Religion – Gesellschaft“ sein. Die Theologische Fakultät in Eichstätt soll nicht nur „als Ganzes nach außen viel sichtbarer werden“. Sie soll mittelfristig „die beste in Deutschland“ sein, gibt Gabriele Gien das Ziel vor.

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Gerade an der Theologischen Fakultät steht ein Generationswechsel bei den Professoren an. Es wird insgesamt sieben Neuberufungen geben. „Die eröffnen uns die Möglichkeit, genau die Leute zu holen, die wir haben wollen“, meint die Präsidentin.

Anders gelagert ist der Fall bei der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Ingolstadt, die – räumlich getrennt – ohnehin dazu neigt, ein Eigenleben zu führen. Dort hat der Generationswechsel bereits stattgefunden – und zwar bevor die neue Präsidentin die Order ausgab: An einer katholischen Universität darf es in Forschung und Lehre nicht um reine Gewinnmaximierung gehen, sondern auch um soziale Verantwortung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

„Wir wollen keine klassische Business School in Ingolstadt, wir wollen eine Fakultät, die etwas andere Absolventen ins Wirtschaftsleben entlässt.“ Überwiegend etwas spezielle Studenten hat die KU auf jeden Fall: „Wer zu uns kommt, ist schon ziemlich sozial angehaucht“, sagt Gabriele Gien, „und er erwartet eine Ausbildung über rein fachbezogene Inhalte hinaus.“ Andererseits gilt aber auch: „Bei uns kann sich keiner in der Masse verstecken!“

 

Extra-Info

Die Katholische Universität (KU) Eichstätt ist 1980 aus einer Gesamthochschule hervorgegangen. Ihr Träger ist eine kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts, die von den bayerischen Bischöfen gegründet wurde.
Dementsprechend fungiert Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, sowie Vorsitzender der bayerischen Bischofskonferenz, als sogenannter Großkanzler (Magnus Cancellarius). Das bedeutet: Er ist unmittelbarer Ansprechpartner des Papstes beziehungsweise der Kongregation für das Katholische Bildungswesen im Vatikan. Für das Tagesgeschäft ist der Stiftungsrat zuständig, dessen Vorsitz der Augsburger Weihbischof Anton Losinger übernommen hat.

Zugleich ist die KU eine vom Freistaat Bayern anerkannte nichtstaatliche Hochschule, die dem Bayerischen Hochschulgesetz untersteht. Die Hochschulleitung besteht aus einer Präsidentin, vier Vizepräsidenten und dem Kanzler (Chef der Verwaltung).

Die KU hat insgesamt acht Fakultäten. Eine davon, diejenige für Wirtschaftswissenschaften, wurde 2001 am zweiten Standort Ingolstadt eröffnet.
Aktuell hat die KU etwa 5500 Studierende. Unterrichtet werden sie von fast 120 Professoren, mehr als 300 wissenschaftlichen Mitarbeitern und über 320 Lehrbeauftragten. Dazu kommen etwa 350 Mitarbeiter beim wissenschaftsunterstützenden Personal.
Der Etat der KU im laufenden Jahr ist mit 68,3 Millionen Euro veranschlagt. 40,9 Millionen trägt der Freistaat Bayern, 18,1 Millionen kommen von der Kirche, sieben Millionen konnten als Drittmittel eingeworben werden.

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