"Blinden Leuten ist wichtig, welche Farbe sie tragen"

9.12.2017, 10:00 Uhr

© Daniel Salaw

Angefangen hat alles mit dem Projekt "Beyond Seeing" des Goethe-Instituts in Paris: Junge Modedesign-Studenten aus verschiedenen Ländern sollten sich Gedanken über Mode für Blinde machen. "Es ging hier aber eher um eine künstlerische Auseinandersetzung als darum, Mode für den Alltag zu kreieren", erklärt Verena, die kürzlich ihr Modedesign-Studium an der Berliner Esmod abschloss.

Von ihrer Hochschule wurden vier Studenten ausgewählt, die an dem Projekt teilnehmen durften. "In Paris lernten wir die Studenten von vier anderen Unis und die Blinden kennen", erzählt die 21-jährige Erlangerin, die vor allem im Gespräch mit der blinden Ugne aus Berlin für ihre Kollektion inspiriert wurde.

Durch sie kam Verena auf die Idee, einen Materialkontrast zwischen kaltem, unnatürlichen Silikon und fließender, weicher Seide herzustellen. Ugne habe den Lebenstraum eines Baumes, der aufgrund eines Blitzeinschlages auf der einen Seite kahl und auf der anderen lebendig ist. "Das verknüpft sie mit ihrem eigenen Leben, denn Ugne ist seit 20 Jahren blind, ihr fehlt seitdem ein Teil, hat aber denselben schönen Charakter", sagt Verena.

Fühlbare Blätter

Außerdem arbeitete die Studentin, die da im 5. Semester war, mit 3D-Prints, die in Form von Blättern auf der Kleidung für die Blinden spürbar sind. Da Verena das Projekt nach Fertigstellung ihrer Outfits nicht einfach beenden wollte, beschäftigte sie sich auch in ihrer Bachelor-Arbeit mit dem Thema weiter. Diesmal wollte sie eine funktionelle Kollektion für Blinde entwerfen, die auf Reisen getragen werden kann. Sie heißt "Travelling beyond seeing".

Für ihre Arbeit machte die Erlangerin auch einen Selbstversuch. Sie ließ sich mit einer Maske über den Augen auf der Insel Kreta herumführen. "Es war interessant, dass die Orte auf mich ganz anders wirkten, als wenn ich sie gesehen hätte", sagt sie.

© privat

Außerdem befragte sie die Blinden, wie sie in anderen Ländern aufgenommen werden, wie hilfsbereit die Leute sind. Und was ihnen bei Mode wichtig ist. "Die Farbe zum Beispiel", erklärt Verena. "Sie selbst sehen Farben zwar nicht, aber sie werden ja gesehen. Da soll alles gut zusammenpassen. Zudem wollen Blinde auch je nach Stimmung farbige Kleidung anziehen."

Ein weiterer Punkt bei der Funktionalität der Anziehsachen ist der Verschluss. Es sollte keiner zum Öffnen und Schließen angebracht werden. "Die Jacken haben zum Beispiel Magnetknöpfe, die sich selbst finden. Und Knopfleisten habe ich nur zur Zierde benutzt."

Verena probierte viel aus für die fünf Outfits. Am Ende bestand ihre Kollektion aus wasserfesten Jacken, Rucksäcken, die vorne getragen werden, gemütlichen Sweatshirts, T-Shirts, Hosen und Röcken. "Ich habe auch Schirmmützen mit extra großen Schirmen entworfen, die die Augen vor der Sonne schützen, und fühlbare Prints in Blau-Weiß habe ich auch wieder angebracht", erzählt die 21-Jährige. Sie findet es schade, dass bisher noch keine Mode für Blinde gemacht wurde, und würde das in Zukunft auch gerne weitermachen. Denn diesen Wunsch hörte sie in den Gesprächen schon heraus

Doch jetzt stehen erst mal Praktika an, um Berufserfahrung zu sammeln – und anschließend ein Masterstudium. "Es gibt verschiedene Möglichkeiten", sagt die Erlangerin, "ich hätte Lust darauf, im Ausland zu studieren, in London oder Mailand."

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