Die Juristerei ist für viele das Traumziel

14.3.2018, 08:00 Uhr
Die Juristerei ist für viele das Traumziel

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Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Doch seit Jahrzehnten ist der Ansturm auf das Fach ungebrochen – auch wenn die Klagen über das Jurastudium anhalten. Ein Erfahrungsbericht und Erklärungsversuch.

Wer Mitte der 1980er Jahre in der einstigen Bundeshauptstadt Bonn Jura studierte, war zwar einer unter Hunderten, befand sich aber dennoch in einem elitären Kreis: Etliche Studenten stammten aus Akademikerfamilien oder trugen Adelstitel. Den Juristenkindern unter ihnen stand oftmals der Einstieg in die elterliche Kanzlei bevor. Auch der Anwaltssohn und spätere FDP-Außenminister Guido Westerwelle war in den Vorlesungen anzutreffen. Damals lehrte ein junger Professor namens Bernhard Schlink Öffentliches Recht in Bonn. Mittlerweile ist er Bestseller-Autor. Jura war eben stets ein Fach, das in viele verschiedene Berufsfelder mündete – auch in den Journalismus. Das macht für viele bis heute den Reiz des Studiums aus.

Zu dieser Erkenntnis kommt auch der ehemalige Erlanger Strafrechtsprofessor Franz Streng. Über Jahre hat er in Umfragen von Studenten wissen wollen, warum sie sich für Jura entschieden haben. Zuletzt im Jahr 2016 haben 33 Prozent von ihnen die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten genannt. 47 Prozent studierten Jura aus Neigung und der Rest gab zu, das Fach aus Verlegenheit gewählt zu haben. Seit 1989 seien diese Zahlen in etwa gleichgeblieben, so Streng.

Die Wünsche der Studenten bleiben unerfüllt

Doch auch die Klagen über das Studium sind seit Jahrzehnten dieselben: zu viel Theorie, kaum praktisch relevante Fälle, keine individuelle Betreuung. In den überfüllten Hörsälen blieb und bleibt das Gros der Studenten anonym. Selbst in den kleineren Seminaren merken sich die Professoren häufig nicht die Namen der Teilnehmer. Das demotiviert viele Jurastudenten. Etwa ab dem fünften, sechsten Semester lichten sich dann die Reihen: Auf etliche Kommilitonen trifft man dann erneut beim Repetitorium, einer professionellen und kostenpflichtigen Examensvorbereitung außerhalb der Uni. Andere Studenten sieht man nie wieder. Heute ist bekannt, dass die Abbrecherquote im Jurastudium bei 24 Prozent liegt, was hoch klingt, aber noch unter dem Fächerdurchschnitt von 32 Prozent liegt, wie die Hochschulforscher des DZHW ermittelt haben. Auch der Repetitor als Privatkonkurrenz zur Uni ist seit jeher typisch für das Jurastudium. Schon Goethe soll einen Repetitor zur Jura-Examensvorbereitung konsultiert haben.

Auch der Erlanger Jurastudent und NZ-Mitarbeiter Björn-Hendrik Otte plant, demnächst den im Studium erlernten Wissensstoff beim Repetitor zu wiederholen. Auch er saß anfangs mit mehreren Hundert Kommilitonen in den Hörsälen, namenlos und unter dem Eindruck, dass die Professoren wenig Interesse an ihren Studenten hätten. Der 20-jährige Sohn einer Juristin spricht von einem "Massenstudiengang". Die Zahlen untermauern das: Derzeit sind allein in Erlangen 2723 Jurastudenten eingeschrieben.

Das bedeutet im Studienalltag: Kampf – um einen Platz in der Übungsvorlesung, in der Bibliothek oder dem Schwerpunktfach. Oft gelte das Windhundprinzip. "Wer sich nicht schnell genug anmeldet, bleibt außen vor", so Otte. "Die zum Teil jungen Professoren sind zwar Cracks mit hohen Standards, die ihr Fach gut beherrschen, ihr striktes Programm durchziehen, aber nicht so gut vortragen können", findet Otte. Da blieben selbst hochmotivierte Studenten manchmal auf der Strecke. Der Jurastudent sieht alle die im Vorteil, die wie er Juristen im nahen Umfeld haben und diese um Rat fragen können.

Dass es seinem Berufsstand mitunter an Lehrfähigkeiten fehlt, findet auch Strafrechtsprofessor Streng: "Sicherlich sind nicht alle Professoren didaktisch hinlänglich befähigt." Man ergreife diesen Beruf ja schließlich der Wissenschaft wegen und nicht, um "Inhalte in Studentenköpfe hineinzukriegen."

Arbeiterkinder haben es schwerer

Repetitorien steht Streng skeptisch gegenüber und spricht von "toter und teuer bezahlter Zeit". Der Besuch dieser Einrichtung habe für viele Studierende eher eine psychologische Wirkung. Er ist überzeugt: "Wer zum Repetitor geht, studiert nur länger. Man käme auch ohne aus". Der Jurist hat in seinen Studentenbefragungen auch herausgefunden, dass nicht diese Art der Examensvorbereitung, sondern die Abiturnote der zuverlässigste Vorbote für das Studienergebnis ist. "Wer gut lernen kann, schafft auch das Staatsexamen", sagt Streng.

Ähnlich klingt die Bestandsaufnahme der Hochschulforscher: 92 Prozent der Jura-Absolventen besuchten das Gymnasium. Wer es über Umwege an die Uni schafft, habe deutlich mehr Probleme. Besonders schwer tun sich der Studie zufolge Studenten aus Nichtakademiker-Familien. Laut der Analyse des DZHW kommen gut zwei Drittel aller erfolgreichen Jura-Absolventen aus höheren Bildungsschichten.

Gleichgeblieben über Juristengenerationen hinweg ist übrigens auch die hohe Durchfallquote, die bei etwa einem Drittel liegt. Laut Steffen Klumpp, Studiendekan am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg, machen 20 bis 25 Prozent der Studierenden ihr 1. Staatsexamen mit "ausreichend", ein weiteres Drittel mit "befriedigend" und nur etwa acht Prozent der angehenden Juristen schaffen ein Prädikatsexamen. Gleichwohl: Trotz mangelnder Erfolgsaussichten ist der Ansturm auf das Fach weiterhin groß. Eine Juristenschwemme wie in den 80er Jahren gibt es schon lange nicht mehr. Alle Absolventen finden am Ende ihre Berufsnische.

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