Goodbye Passau, Hello North America

18.12.2014, 14:55 Uhr
Goodbye Passau, Hello North America

© privat

Liebe Alicia,

wie geht es dir so in den USA? Hier in Kanada läuft immer noch alles super – ich kann gar nicht glauben, dass schon so bald Weihnachten ist! Auf der einen Seite freue ich mich natürlich schon auf das Fest, aber auf der anderen Seite bedeutet Weihnachten für mich auch das Ende meines Semesters hier in Kanada.

Und seit Halloween hat sich dieses Gefühl noch verstärkt – dank der ganzen Weihnachtsbeleuchtung und -dekoration in den Läden und Einkaufszentren. Erst war alles voller Kürbisse, Spinnweben, Fledermäuse und Masken und dann – schwupps – stand da plötzlich ein großer Weihnachtsbaum in der Mall, und es tönte „All I want for Christmas …“ aus den Lautsprechern.

War das bei euch auch so? Die Regale sind auf einmal voll mit Panetone, Schoko-Weihnachtsmännern und allen erdenklichen Weihnachtssüßigkeiten. Lebkuchen und Spekulatius findet man aber leider nur in einem europäischen Gewürzladen in der Innenstadt. Gibt’s es die zufällig bei euch? Ich bin schon dabei, mir eine imaginäre Liste mit Sachen anzulegen, die ich unbedingt kaufen bzw. essen möchte, wenn ich wieder in Deutschland bin. Inhalt soweit: Gummibärchen, Klöße, „richtiges“ Brot, Bratwürste und Quark. Alles Sachen, die es hier nicht oder nicht so wie zu Hause gibt. Bratwürste gibt es zum Beispiel natürlich schon, aber gerade für jemanden, der aus Franken kommt, sind die Bratwürste hier schon fast eine persönliche Beleidigung. 

 

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Aber dafür gibt es hier dann wieder andere leckere Sachen: Zum Beispiel das Nationalgericht. Poutine, das sind Pommes mit Käseklumpen und Bratensoße – hört sich ein bisschen unappetitlich an, schmeckt aber richtig gut! Da werde ich mir sicher einige Poutine-Fertig-Soßen mit nach Hause nehmen! Und außerdem bekannt für Kanada sind „Beavertails“ – das ist eine Art Schmalzgebäck in der Form einer Biberschwanzes, das man mit zum Beispiel mit Nutella, Ahorn-Butter oder Zimt bestrichen kaufen kann. Was ist das spezielle USA-Gericht?

Und wichtig hier in Kanada ist zudem eins: Tim Hortons! Eine Fast-Food-Kette à la McDonalds, wobei hier der Schwerpunkt auf Muffins, Bagles, Kaffee und ein paar Sandwiches liegt. Gibt es gefühlt an jeder Straßenecke und die Sachen dort schmecken richtig gut!

An sich ist ja in Kanada schon viel wie in Deutschland, und ich habe mich schnell eingelebt, aber trotzdem gibt es wohl Sachen, an die man sich im Ausland nie gewöhnen wird, oder?! Eine Sache zählt ganz klar dazu: Einkaufen! Mir stand beim ersten Mal in einem kanadischen Supermarkt der Mund offen: Eine Paprika kostet 4 Dollar, eine Packung geriebener Käse liegt bei 8 Dollar,  und ein Pfeffer-Streuer ist für 6 Dollar  zu erstehen. Da ist es dann nicht so ungewöhnlich, dass man beim Einkaufen 50 Dollar  ausgibt.

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Natürlich weiß ich, dass es weniger in Euro sind, aber trotzdem wird der Geldbeutel hier nicht unbedingt geschont. Ich hoffe, bei euch sind die Lebensmittel günstiger. Ich versuche hier mit ein paar Tricks mein Budget nicht maßlos zu überziehen: Statt Schnitzel gibt es Tofu, bei Sonderangeboten werden Hamsterkäufe erledigt, und wie bei all den anderen internationalen Studenten sind Nudeln  ein wichtiger Bestandteil meines Speiseplans geworden.

Apropos Speiseplan: Gibt es bei euch eigentlich eine Mensa? Bei uns gibt es mehre Cafeterien und „Mensen“ auf dem Campus, aber ehrlich gesagt, habe ich mir dort außer Schokoladen und Kaffee noch nichts gekauft. Zum eine, weil die Sachen recht teuer sind. Ein Mittagsmenü kostet mit Vor- und Nachspeise um die 10 Dollar.

Zum andere, weil ich viel im Wohnheim koche. Von der Küche hatte ich die ja schon in meinem vorigen Brief erzählt. Das Schöne ist hier, dass man mit vielen Leuten zusammen kochen kann und es keine Platzprobleme gibt. Und man lernt immer wieder neuer Leute und Gerichte kennen. Wenn man hier nicht weiß, was man kochen soll, dann kann man einfach in die Küche gehen (die meistens rappelvoll ist – außer man kommt frühmorgens oder vormittags) und sich von den anderen kochenenden Studierenden inspirieren lassen.

Ich hatte dir doch von den Baggers erzählt, auf die ich immer angesprochen werde. Letztens habe ich eine französische Studentin in der Küche getroffen, die auch Kartoffelpuffer gemacht hat – nur größer. Und ich dachte immer, das wäre so Deutsch!

Die Université Laval liegt gefühlt genau in der Mitte von zwei Supermärkten, und ich bin immer am Überlegen, zu welchem in denn gehen soll. Der eine hat die leckeren Muffins, beim anderen kann man sich die Einkäufe nach Hause liefern lassen. Allerdings geht das auch erst ab einem Betrag von 25 Dollar - und der Einkauf muss auch komplett geliefert werden. Ich habe zum Beispiel einmal nachgefragt, ob ich mir auch nur die schweren Wasserflaschen liefern lassen kann – da hat mich die Filialleiterin etwas verstört angeschaut und betont, dass das natürlich nicht gehe.

Am Anfang konnte man sich a der Uni noch kostenlos Fahrräder ausleihen, was super praktisch zum Einkaufen war. Dank großem Fahrradkorb konnte man die Einkäufe dann sicher nach Hause transportieren – bzw. mehr oder weniger sicher: Mir ist das Fahrrad auch das ein oder andere Mal umgefallen, weil ich es zu schwer beladen hatte. Zum Glück gibt es bei uns in allen Uni-Gebäuden Wasser-Spender, an denen man sich seine Flasche auffüllen kann. Der Geschmack des Wassers ist zwar nicht überragend, aber hier siegt dann das Parktische über den Geschmacksnerv.

Eine andere Sache, die hier beim Einkaufen auffällt, sie die Tatsache, dass man seine Sachen nicht selbst in die Einkauftüte räumen muss. Es gibt immer nette Verkäufer, die anscheinend den ganzen Tag nichts anders machen als Einkäufe der Kunden in die jeweiligen Beutel zu packen. Man muss allerdings auch aufpassen, dass man schnell genug seine mitgebrachten Einkaufstüten hergibt, sonst wird alles in Plastiktüten verpackt und die sind auf der einen Seite natürlich nicht gut für die Umwelt und auf der anderen kosten sie selbstverständlich auch etwas. Wie ist das bei euch so?

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Und wenn man keine Zeit zum Einkaufen hat oder man wegen eines Schneesturms nicht aus dem Haus kann – das ist zum Glück bis jetzt noch nicht passiert, aber nur für den Fall, kann man sich die wichtigsten Sachen auch im „Dépanneur“, einer Art Tante-Emma-Laden mitten auf dem Campus kaufen.

Gibt es bei euch richtige Einkaufsstraßen? Bei uns gibt es nämlich in der Nähe der Uni keine – nur Einkaufsmalls. Da sind dann gleich drei riesige Einkaufszentren hintereinander. Um  vom ersten Geschäft im vordersten Zentrum zum letzten Geschäft im hintersten Einkaufscenter zu kommen, braucht man mindesten 20 Minuten und das, ohne zwischendurch in Geschäfte zu schauen!

Und wo liegt der Ein-Dollar-Laden mit der günstigen Schokolade? Genau, im letzten Einkaufszentrum! Aber zum Glück musste ich mir gar nicht viele Basic-Sachen für Küche oder Wohnheimzimmer kaufen – hier gibt es nämlich die Tradition, dass sich die Studenten gegenseitig sogenannte Boîtes hinterlassen. Ich habe meine von einer Freundin aus Passau abgekauft und werde sie nach meinem Aufenthalt hier in Québec an einen der nächsten Québec-Fahrer verkaufen. In den Boîtes sind dann so Sachen wie Bettwäsche, Handtücher, Küchenutensilien, Schere, Kleber, Ordner, Geschirr oder Putzsachen. Eben genau das, was man während eines Auslandsaufenthaltes auch braucht, es sich aber nicht lohnt zu kaufen. Gibt es das bei euch auch?

Ganz liebe Grüße aus Kanada,

deine Linda

 

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Liebte Linda,

schön, mal wieder wieder von dir zu hören! Zugegeben, eigentlich haben wir uns gestern per WhatsApp geschrieben. Aber wir wollen die Brief-Reportagen-Illusion natürlich nicht zerstören!

Du hattest erwähnt, dass Weihnachten vor der Tür steht. Stimmt ja auch! Bei uns an der Uni tümmeln sich Plastik-Weihnachtsbäume, wobei die Größe von zwergen-freundlich (Vorlesungsaal) über Normalbaum (Bücherei) reicht.

Gestern gab es bei uns sogar eine “Weihnachtsbaum-Beleuchtungszeremonie”! Da musste ich vorbeischauen, und nicht nur wegen des Versprechens, dass es “free hot chocolate and cookies” geben würde. Womit wir beim Thema Weihnachtsbäckerei wären: Pünktlich zum ersten Advent haben wir - mit schwedischen und deutschen Weihnachtsklassikern im Hintergrund – die Plätzchensaison eröffnet.

Klingt nicht nach einer Herausforderung, das war es aber! Uns fehlten die Waage, ein Teigroller und Plätzchenausstecher. Was tun? Mit ein bisschen Improvisationssinn ist die Plätzchen-Aktion nicht ins Wasser gefallen. Mit den amerikanischen “Cups” als Maßeinheit wurded die Waage überflüssig (wichtig fürs Nachmachen: Smartphone mit Umrechnungstabellen für verschiedene Zutaten!) und ein Haarspray-Deckel wurde kurzfristig zum Ausstecher umfunktioniert. Et voilà! Das Ergebnis lässt sich sehen, oder?

So schön die Vorweihnachtszeit auch ist: Bei mir meldet sich im Moment vor allem das Heimweh! Denn ich bleibe bis Ende Februar in Illinois und habe mich dagegen entschieden, über die Weihnachtsferien nach Hause zu fliegen. Zu teuer! (Wohin es für mich über Weihnachten geht, verrate ich dir im nächsten Brief, hihi!)

Trotz derVorfreude auf die Weihnachts-Reiserei: Kleinlaut muss ich zugegeben, dass ich meine Familie ganz schön vermisse. Als ich mir deinen Brief durchgelesen habe, kam mir der Gedanke immer wieder: Das erkenne ich wieder! Kanada und die Vereinigten Staaten scheinen in mancher Hinsicht wirklich sehr ähnlich. Ein Beispiel? Bei uns gab es auch einen fast! fliegenden Wechsel in den Geschäften zwischen Grusselkostümen für Halloween und schriller Weihnachtsdeko.

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Warum nur “fast”? In den Vereinigten Staaten trennt ein wichtiges (kulinarisches) Ereignis die Zeit zwischen Halloween und Weihnachten: Thanksgiving! An der Augustana College werden einheimische Studenten gebeten, Gäste fürs Erntedankfest aufzunehmen. Keine Frage, dass ich das Angebot angenommen habe! Mit meiner Gastgeberin, Sierra, habe ich mich auf Anhieb prima verstanden.

Ihre Familie bereitet das Essen nach dem “pot luck”-Prinzip zu: Jedes Familienmitglied bringt eine Speise mit. Die Leckereein haben sich am Ende über drei Tische erstreckt! Selbst als Vegetariar hatte ich kein Problem, satt zu werden: Auf dem Menu stand überbackener Kürbis mit Äpfel und Gewürzen, Kartoffelbrei, Bohnenauflauf. Und wer danach immer noch nicht satt, durfte den Nachtisch begutachten, von Brownies über Devils-Food Cake und Peanut-Butter Konfekt! Kein Vergleich mit unserer (traurigen) Mensakost.

Womit deine Frage beantwortet wäre: Ja, wir haben an der Augustana College eine Mensa. Die funktioniert aber nach einem anderen Prinzip als bei euch: Zum Semesterbeginn kauft jeder einen “meal plan”, der zu einer bestimmten Anzahl an Mahlzeiten pro Woche in der Mensa berechtigt. Da ich im Wohnheim wohne, ist der teure “meal plan” sogar Pflicht! Allerdings kriege ich “nur” zehn Mahlzeiten pro Woche, und versorge mich sonst selbst.

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Billig ist das nicht gerade, wenn man den Gesamtpreis für zehn Wochen auf die einzelne Mahlzeit runterrechnet! Vor allem, wenn man die Qualität des Mensaessens berücksichtigt: Es wird im Buffet-Style serviert. Man hat also die Qual der Wahl zwischen Burger, chinesischer Kost, Pizza.... Wobei die große Auswahl täuscht: Richtig “gesund” kann man sich eigentlich nur an der Salatbar bzw. bei dem vegetarischen Stand “Wild Thymes” ernähren.

Mein Fazit? Mittelmäßig! Manchen Gerichten, zum Beispiel gefüllte Paprika mit trockenem Reis, fehlt mensatypisch jeglicher Sinn für Rafinesse oder Geschmack. Dafür gefällt mir die große Salatbar, die unsere Mensa um einiges überbietet; auch wenn die Zutaten überwiegend aus der Tüte oder dem Eimer kommen. Was soll's, man muss Kompromisse eingehen!

Erwähnt hatte ich es ja schon: Am Wochenende versorge ich mich selbst in der Wohnheimküche, die leider längst nicht so gut augestattet ist, wie eure in Québec: Wir haben gerade einmal einen Kühlschrank und einen Ofen für 300 Studenten! Mein Essen bunkere ich dementsprechend in meinem Zimmer, nachdem im ersten Semester die Hälfte meiner Milch auf mysteriöse Art und Weise aus dem Gemeinschaftskühlschrank verschwunden ist.

Zutaten fürs Frühstück oder Abendessen bekommt man in der Supermarkt-Kette Hyvee, die zu Fuß aus15 Minuten von meinem Wohnheim entfernet ist. Sich aufs Fahrrad zu schwingen lohnt nicht unbedingt: Auf dem Fußgängerweg machen sich Schlaglöcher und Unebenheiten breit, so weit das Auge reicht. Und auf die Straße traue ich mich als Fahrradfahrerin nicht: Zu groß die Angst, dass die Auto-gewohnten Amerikaner mich auf meinem Rad übersehen!

Was die Preise im Supermarkt angeht, mussten wir beim ersten Einkauf ziemlich schlucken. Letzte Woche haben wir für eine Portion Butter zum Backen mehr als 4 Dollar bezahlt. Eine Mini-Portion Feta-Käse ist für 3 Dollar zu haben, und “Brot” (also, Toast, nach deutschen Standards!) kriegt man frisch nicht unter 4 Dollar.

Sonst fällt auf, dass man in den USA sehr gerne zum Fertiggericht aus der Tiefkühltruhe greift: Zwei Reihen bieten ausschließlich solche Gerichte an, eine weitere Reihe lockt mit überzuckerten Eis-Sorten und eine dritte mit gekühlten Frühstücksvarianten, à la Waffeln zum Auftauen. Schnell muss es gehen! Das merkt man auch in der Gemüseabteilung, wo man eine Kartoffel findet, mit einer Anleitung auf dem Etikett, wie sie in der Mikrowelle zuzubereiten ist. Oder überwiegend Gemüse findet, das in der Plastikverpackung bereits zugeschnitten ist.

Und weißt du was? Irgendwie befremdet mich dieser Trend. Die Schnelligkeit. Oder, dass alles bereits zubereitet ist. Die Zutaten? Egal, ob sie künstlich sind, solange sie bunt ausschauen! Der Einkauf wird auch in den USA ohne Hintergedanken in unzählige Plastiktüten gebeutelt (wobei mich fast alle Einpacker bereits kennen, weil ich typischerweise mit meinem Jute-Beutel kontere: “No thanks, I have a bag!”).

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Es nervt auch, dass die Mensa vor allem auf fettige Fast-Food Klassiker wie Pizza und Burger setzt. Nein, danke! Mich hat die Kochabenteuer-Lust fest im Griff: Ich versuche, jede Woche ein neues Gericht auszuprobieren mit frischen Zutaten! Dank Rezeptsharing im Internet, zum Beispiel auf chefkoch.de, habe ich Tomatensuppe zubereitet, oder ein neues Lieblings-Rezept für überbackene Paprikaschoten entdeckt.

Wenn wir schon beim Thema Heimweh und Essen sind: Was würde ich nicht für ein gutes Vollkornbrot hergeben! In den amerikanischen Bäckereien im Supermarkt findet man fast ausschließlich Cookies, Pies oder Bagels. Aber, pssst! Hier ein Geheimtipp, falls du das nächste Mal in den USA bist: In Rock Island gibt es einen Aldi, bei dem man die Sehnsucht nach deutschen Leckereien stillen kann: Mit Müsli, Prinzenrolle, Spekulatius und Kaffeesahne-Schokolade bin ich also bestens ausgestattet.

Die Weihnachtszeit darf also gerne über die Türschwelle eintreten. Bloß nicht zögern, hinein, hinein!

Viele Grüße und eine Umarmung Richtung Québec,

Alicia

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