Immer wieder wurde ein neues Türschild gebraucht

17.8.2017, 17:54 Uhr
Das Stammgelände der Technischen Hochschule

© Bischof & Broel Das Stammgelände der Technischen Hochschule

MIT: Diese drei Buchstaben stehen für die berühmteste Elite-Denkfabrik der Welt, das Massachusetts Institute of Technology in den USA. Zumindest im Alphabet unmittelbar danach folgt das NIT, das Nuremberg Institute of Technology.

Das ist der Name, den sich die Technische Hochschule Nürnberg auf Englisch gegeben hat. Auf Deutsch lautet ihr voller Name "Technische Hochschule Nürnberg – Georg Simon Ohm". Und weil sich das sehr sperrig liest und vor allem spricht, wird in Schrift und Wort gerne die Abkürzung benutzt: TH. Aber das wiederum ist nur eine von vielen Bezeichnungen, die im Lauf der vergangenen fast 200 Jahre gültig waren.

Technische Hochschule

Eine simple Meldung aus dem bayerischen Ministerrat sorgte am 19. März 2013 für großen Jubel in Nürnberg: Die Ohm-Hochschule hatte den Titel "Technische Hochschule" errungen. Verbunden damit war keineswegs nur ein neues Türschild, sondern vor allem eine Erwartung.

Die Bayerische Staatsregierung wollte einen neuen Typ von Hochschule schaffen, angesiedelt zwischen den anwendungsorientierten Fachhochschulen und den auf Grundlagenforschung fokussierten Universitäten. Dafür bekommt die TH seitdem etwa eine Million Euro pro Jahr.

Mit dem Geld haben Professoren die Möglichkeit, Assistenten einzustellen, die sie bei ihren Lehr- und Forschungsaufgaben unterstützen. Einen solchen akademischen Mittelbau gibt es an Universitäten seit jeher, an Fachhochschulen indes bis heute nicht.

Daran hatte auch die vorangegangene Namensänderung im Jahr 2007 nichts geändert. Da durfte die damalige Fachlochschule das verhasste "Fach-" im Namen ablegen und sich "Hochschule für Angewandte Wissenschaften" nennen.

Der englische Begriff dafür lautete "University of Applied Sciences". Zusätzliche Mittel aus München gab es dafür keine, statt dessen Kosten für andere Türschilder und für neues Briefpapier.

Fachhochschule

Das legendäre Jahr 1968 gilt als einschneidendes Datum in der Geschichte der deutschen Universität. Dass es auch ein Meilenstein auf dem Weg zu "andersartigen, aber gleichwertigen Hochschulen" war – wie die damals neuen Fachhochschulen genannt wurden, ist heute praktisch vergessen. Überall im Bundesgebiet drängten damals nicht nur Studenten, sondern auch Dozenten der unterschiedlichsten Bildungsstätten auf eine neue Definition ihrer Stellung im (Hoch-)Schulsystem.

Am 31. Oktober 1968 einigten sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer darauf, einen neuen Hochschultyp, die Fachhochschule, abgekürzt FH, einzuführen. Eine bunte Mischung der unterschiedlichsten Ingenieurschulen und Höherer Fachschulen durfte sich von da an mit dem nach außen einheitlichen Etikett FH schmücken.

Im Freistaat Bayern was es erst 1972 so weit. Gleichsam über Nacht wurden acht neue Fachhochschulen aus der Taufe gehoben, die insgesamt 27 Vorläufereinrichtungen an folgenden Standorten umfassten: Augsburg, Coburg, München, Regensburg, Rosenheim, Weihenstephan/Triesdorf, Würzburg/Schweinfurt – und eben Nürnberg.

Hier entstand die neue FH aus dem Zusammenschluss von fünf Vorläufereinrichtungen: dem Ohm-Polytechnikum, der Höheren Wirtschaftsfachschule, den Höheren Fachschulen für Sozialarbeit beziehungsweise für Sozialpädagogik sowie dem "Offenen Zeichensaal". Und als nahezu einzige Fachhochschule in Deutschland bekam die Nürnberger FH einen eigenen Namen – nämlich den des berühmten Physikers Georg Simon Ohm (1789 bis 1854).

Technik

Die Wurzeln der technischen Ausbildungsstätten in Nürnberg reichen zurück zum Ende des 18. Jahrhunderts. 1792 wurde in Nürnberg eine "Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie" gegründet, die Ingenieuerschulen für Jungen und Mädchen ins Leben rief.

Die Triebfeder dazu ähnelt erstaunlich dem heutigen Schlagwort "Ingenieurmangel". Die "vaterländische Gesellschaft" – nach heutigem Verständnis eine Bürgerinitiative – hatte einen entsprechenden Rückstand gegenüber den damaligen Hightech-Nationen England und Frankreich erkannt und wollte diesen aufholen.

Nürnberg, ein Zentrum des Handels und des Handwerks, sollte auf den industriellen Zug aufspringen – was spätestens 1835 mit der Einweihung der ersten deutschen Eisenbahn nach Fürth auch gelungen war.

Mit derselben Intention setzte der damaligen Zweite Nürnberger Oberbürgermeister Johannes Scharrer 1823 die Einrichtung einer Städtischen Polytechnischen Oberschule durch. In vier "Klassen" wurden dort Volksschülern, Lehrlingen, Gesellen und Meistern Grundlagen der Physik und Chemie vermittelt. Die neue Oberschule, angesiedelt im ehemaligen Augustinerkloster, war jedoch chronisch unterfinanziert. Auch regelmäßige Zuschüsse des bayerischen Königs Ludwig I. änderten daran wenig.

1833 war damit Schluss. Der Freistaat Bayern übernahm gleich ganz die Kontrolle – und die Lehranstalt wurde eine Polytechnische Staatsschule. 1835 wurde die Städtische Bauschule aufgelöst und als Abteilung Hochbau angegliedert.

Im Gegenzug gab es neue Räume im Peunthof – und einen neuen Physiklehrer: Georg Simon Ohm. Er hatte das Prinzip des elektrischen Widerstandes bereits erforscht und veröffentlicht, war indes damals noch bettelarm.

Nürnberg brachte ihm den Durchbruch. Er wurde nicht nur Schulleiter von 1839 bis 1849, was ihm den Weg zu einer Professur in München ebnete. Er konnte sich außerdem über die weltweite Anerkennung seiner Entdeckung freuen.

1868 wurde "Ohms Schule" zur Königlichen Industrieschule umgewandelt. Ständig wachsende Schülerzahlen sorgten 1904 für einen Neubau auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Vorläuferfirma von MAN in Wöhrd, dem heutigen Keßlerplatz.

1919 bekam das Gebäude die Bezeichnung "Höhere Technische Lehranstalt". 1933 wurde es "Ohm-Polytechnikum" benannt. Nach dem Krieg riss das Wirtschaftswunder auch diese Schule mit. Sie entwickelte sich von einer "Staatlichen Akademie für angewandte Technik" (1949) bis zum tragenden Fachbereich unter dem Dach der neu geschaffenen Fachhochschule (1972).

Soziales

Um den sozialen Folgen der wachsenden Industrialisierung Rechnung zu tragen, hatte die Stadt Nürnberg bereits im Jahr 1925 ein Seminar gegründet, in dem Kindergärtnerinnen für leitende Aufgaben ausgebildet wurden. 1968 bekam diese Schule den Titel "Höhere Fachschule für Sozialpädagogik".

Eine zweite Wurzel der heutigen TH-Fakultät Sozialwesen ist die 1927 eingerichtete "Soziale Frauenschule" der Stadt Nürnberg: Vier Jahre dauerte dort die Ausbildung zur Wohlfahrtspflegerin für die Bereiche Jugend-, Gesundheits-, Berufs-, Wirtschafts- und Familien-Fürsorge.

Nach 1945 begann die Soziale Frauenschule, auch Männer aufzunehmen. Dementsprechend wurde der Name in "Soziale Schule der Stadt Nürnberg" geändert. 1963 erfolgte eine erneute Aufwertung zur "Höheren Fachschule für Sozialarbeit". Mit der Gründung der Fachhochschule wurden die beiden Höheren Fachschulen zu einer Ausbildungsrichtung Sozialwesen zusammengefasst.

Wirtschaft und Gestaltung

Als die Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule 1972 gegründet wurde, bekam sie außer dem technischen und dem sozialen noch zwei weitere Zweige: Die Ausbildungsrichtung Wirtschaft entstand aus der im Jahre 1963 errichteten Höheren Wirtschaftsfachschule der Stadt Nürnberg.

Die Wurzeln der Ausbildungsrichtung Gestaltung/Design indes waren der 1910 gegründete "Offene Zeichensaal", sowie eine Höhere Fachschule für Grafik und Werbung der Stadt Nürnberg, die 1968 eröffnet hatte. An der heutigen Technischen Hochschule sind die früheren klassischen Fachbereiche längst verschwunden.

Allein die Technik wurde, der technischen Entwicklung folgend, in diverse Richtungen zerlegt. Und so zählt die TH inzwischen zwölf Fakultäten: Angewandte Chemie; Angewandte Mathematik, Physik und Allgemeinwissenschaften; Architektur; Bauingenieurwesen; Betriebswirtschaft; Design; Elektrotechnik Feinwerktechnik Informationstechnik; Informatik; Maschinenbau und Versorgungstechnik; Sozialwissenschaften; Verfahrenstechnik; Werkstofftechnik.

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