"Integration gelingt durch Freundschaft"

16.4.2016, 10:00 Uhr

© F.: Rahmanullah Haidari/Jugendpresse

Verwirrt stehe ich vor dem verlassen wirkenden Backsteingebäude und blicke auf die Hausnummer: Eine Fünf steht da auf dem Blechschild. Ich krame meinen Kalender hervor, überprüfe die Adresse. "Fünf" habe ich mir auch notiert. Es gibt keinen Zweifel: Ich bin hier richtig, beim Sozialdienst für Flüchtlinge der Caritas in Bayreuth. Zugegeben, ich bin etwas verdutzt. Eigentlich habe ich mit einem gemieteten Büroraum gerechnet. Ganz wohl fühle ich mich nun doch nicht, nachdem ich für "politikorange" auf Entdeckungstour gegangen bin.

Die Zeitung "politikorange" ist das Medium der Jugendpresse Deutschland, dem Bundesverband für junge Medienmacher. Das Besondere daran: Politisch und journalistisch interessierte Jugendliche können sich dort bewerben und „politikorange“ mitgestalten. Während einer viertägigen Projektredaktion sollte dann gemeinsam mit anderen journalistisch Begeisterten an Texten sowie Foto- und Filmaufnahmen gearbeitet werden.

Als ich erfuhr, dass solch eine Veranstaltung zum Thema „Flucht und Migration“ in Bayreuth stattfindet, war für mich klar: Da muss ich hin! Meiner Kollegin Anne-Sophie (17) aus Oberfranken ging es ähnlich: "Mir ist es wichtig, dass Vorurteile über Geflüchtete nicht verbreitet werden", sagt sie, "und natürlich wollte ich journalistische Erfahrungen sammeln."

Aus diesen Gründen habe auch ich mich angemeldet – und stehe nun vor dem riesigen Backsteinhaus. Nach einer vorsichtigen Erkundungstour finde ich eine geöffnete Tür. Unsicher gehe ich durch.

Eine halbe Stunde später, in der ich Ansprechpartnerinnen vom "Sozialdienst für Flüchtlinge" und mit Geflüchteten gesprochen habe, verlasse ich das Gebäude wieder. Die Fassade wirkt noch genauso schäbig wie zuvor, doch meine Stimmung hat sich grundlegend verändert. Die Unsicherheit ist verschwunden, stattdessen bin ich nun voller Zuversicht und Begeisterung.

"Jeder Mensch ist auf seine Art besonders", beschreibt Ibrahim (22) treffend. Er stammt aus Syrien und ist als Redakteur ebenfalls Teil des "politikorange"-Teams. Unser kurdischer Übersetzer Vindar (30) fügt hinzu: "Es ist schön, wenn sich Deutsche und Geflüchtete kennenlernen." So funktioniere Integration. Genau diesen Eindruck habe ich bei meinem Interview auch bekommen.

Artikel über Arbeitssuche

Wenn ich gerade nicht auf den Spuren der Integration unterwegs bin, arbeite ich an meinem Artikel für die "politikorange". Darin geht es um die Arbeitssuche von Geflüchteten – und welche wirtschaftlichen Chancen für Unternehmen dadurch entstehen. Auch meine Kollegin Rufine (22), geboren in Kamerun, recherchiert fleißig. Sie beschäftigt sich mit dem Thema "Lebenssituation von Geflüchteten". Was ihr an dieser Arbeit am besten gefällt, weiß sie ganz genau: "Viele Leute waren bereit, mit mir ein Interview zu führen", erzählt die Studentin begeistert, "das ist gerade bei Asylbewerbern nicht selbstverständlich."

© Foto: Jugendpresse Deutschland/Lukas J. Herbers

Wenn es einmal nichts zu Schreiben gibt, sitzen wir in der Gruppe zusammen und führen lange Gespräche, auch zugunsten meiner Sprachkenntnisse: Neben Deutsch und Englisch klingt durch die Redaktion auch Arabisch, Kurdisch und Persisch. Was für ein Durcheinander! Trotzdem verstehen wir uns ohne Probleme. Und wenn doch mal die Worte fehlen, sagt man einfach: "Alles Gute zum Geburtstag". Das geht immer.

Eines jedoch verdirbt Anne-Sophie ein wenig die Laune: Das Abschiednehmen am Sonntagnachmittag. Auch ich habe einen Kloß im Hals, als ich mich mit meinem Koffer auf den Weg zum Zug mache. Allerdings habe ich mir vorgenommen, meine neuen Freunde bald zu besuchen.

Diese Woche ist die neue Ausgabe von "politikorange" mit unseren Beiträgen erschienen. Ihr könnt sie euch kostenlos bestellen unter www.politikorange.de/bestellen Für Ibrahim gibt es aber noch etwas Wichtigeres als die Zeitung: "Ich habe neue Erfahrungen gemacht", sagt er. Auch ich habe in der Projektredaktion vieles gelernt. Eines weiß ich jetzt ganz genau: Integration ist ein politisches Thema. Aber sie kann nur durch Freundschaft wirklich gelingen.

Auf https://flucht.politikorange.de könnt ihr das viersprachige Online-Dossier von "politikorange" lesen. Anastasias Text steht in der Rubrik Zusammenleben und heißt "Ausbildungschancen in Bayern".

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