LiteratuReise: Ab in den Süden!

28.8.2018, 17:46 Uhr
Von der Piazza del Popolo gelangt man über die Via del Corso (Mitte) zu Goethes Wohnhaus.

© Anja Riske Von der Piazza del Popolo gelangt man über die Via del Corso (Mitte) zu Goethes Wohnhaus.

"Früh drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad, weil man mich sonst nicht fortgelassen hätte", schrieb Johann Wolfgang von Goethe am 3. September 1786 in das Tagebuch seiner Italienischen Reise. Knapp 232 Jahre später stehle ich mich nachmittags um drei aus Ansbach fort.

Mein Ziel: Rom, laut Goethe die "Hauptstadt der Welt". Angeblich hatte der Dichter sich so sehr nach Italien und nach Rom gesehnt, dass er sich nicht mal mehr Landschaftszeichnungen dieser Gegenden anschauen konnte.

Ich tuckere in einem Fernbus über die Autobahn. Sozusagen die moderne Version der Kutschen, mit denen der Dichter gen Süden aufbrach. Die Fahrtzeit verkürzt mir Matteo, ein Neapolitaner. "Wenn du schon Goethes Reise wiederholen willst, musst du aber auch nach Neapel!", sagt der Student. Recht hat er. Aber meine drei Tage in Italien widme ich ganz der Ewigen Stadt.

Als ich nach 15 Stunden Busfahrt gegen Mittag in meinem Hotel ankomme, schlafe ich erst mal. Zugegeben, das war nicht der Plan, aber ich will die italienische Hauptstadt ausgeruht erkunden.

Schließlich hieve ich mich aus dem Bett, laufe zur U-Bahn und stolpere nach vier Stationen ins Freie; vor mir die Porta del Popolo, durch die der Autor am 29. Oktober 1786 Rom betrat.

Wie ein staunendes Kind

Beim Anblick der beeindruckenden Brunnen und hohen Bäume zu beiden Seiten des dahinterliegenden Platzes verharre ich kurz wie ein staunendes Kind, ehe ich weiter geradeaus gehe, bis ich die Via del Corso 18 erreiche. Dort befindet sich die Casa di Goethe – das Goethe-Haus. In dem ockerfarbenen Palazzo lebte der Dichter mehrere Monate unter dem Namen Jean Philippe Möller und gab sich als Maler aus. Die Wohnung teilte er sich mit einem echten Maler – Johann Heinrich Wilhelm Tischbein – und anderen Künstlern.

Beim Spazieren durch die Gänge des Museums wird klar: Das war keine Zweck-WG. Auf einer Zeichnung an der Wand kippelt Goethe lässig auf einem Stuhl. Ein Bild zeigt ihn in ein Gespräch mit seinen Mitbewohnern vertieft. Auf einem anderen lassen sich zwei Männer erleichtert auf ein Sofa plumpsen.

Das Museum behandelt Goethes gesamte Italienreise, also auch die Zeit in Verona, Venedig, Neapel und auf Sizilien. Die Informationen finden sich in Schiebern unter den Schaukästen: auf Deutsch, Englisch und Italienisch.

Am nächsten Vormittag besuche ich die Villa Borghese, einen der bekanntesten Parks in Rom, unweit von Goethes Wohnung. Von der Spanischen Treppe geht es steil bergauf. Oben angekommen schnappe ich nach Luft und stehe vor einem imposanten Bau: der Villa Medici. Dort fand der Dichter im Februar 1787 Unterschlupf, als er vor dem Karneval flüchtete. Heute beherbergt sie die französische Akademie der Künste.

Ich irre durch den Park, auf der Suche nach dem dortigen Goethe-Denkmal. Nach einigen falschen Abzweigungen ragt das neun Meter hohe Monument schließlich vor mir auf. Von weit oben schaut der Autor auf mich herab. Der Sockel zu seinen Füßen ist an den vier Ecken mit Szenen aus seinen Dramen versehen. Enttäuscht stelle ich fest, dass ich davon nur Faust und Mephisto erkenne.

Mit schmerzenden Füßen begebe ich mich am späten Nachmittag zur Villa Madama. Als eine "Wirkung der Natur" schwärmte der damals 37-jährige Dichter von dem Sonnenuntergang, den er von dort gesehen hatte.

Für die Fahrt zur Villa nehme ich einen Bus. Dabei bange ich kurz um mein Leben. Das Hupen des Fahrers alle 30 Sekunden kann ich ignorieren, aber die bedenklichen Geräusche, die der Bus auf dem Kopfsteinpflaster von sich gibt, nicht.

Erleichtert steige ich aus und muss erneut auf einen Berg steigen. Am Ende wartet aber kein schöner Sonnenuntergang, sondern ein Polizist, der mir in gebrochenem Englisch erklärt, dass ich das Gelände nicht betreten darf. Das war wohl nichts.

Auf die Enttäuschung gönne ich mir einen großen Teller Sushi im Kneipenviertel Trastevere. Es muss nicht immer Pizza oder Pasta sein. Den obligatorischen Glückskeks lasse ich in meiner Tasche verschwinden.

Der nächste Tag beginnt mit einem peinlich touristischen Ausflug zum Kolosseum. Wo zu Goethes Zeiten Bettler hausten, machen sich heute Unmengen von Reisenden breit. Im Anschluss besuche ich das Grab von Goethes Sohn August auf dem Protestantischen Friedhof.

Dass dieser ein Ort der Ruhe ist, vergesse ich bei den vielen Menschen. Einige Katzen streunen ebenfalls umher. Ein Tierheim auf dem Friedhof versorgt die Samtpfoten. Für eine letzte Mahlzeit gehe ich in das "Antico Caffè Greco", früher bekannt als "Caffè dei Tedeschi" – das Café der Deutschen. Goethe selbst soll mehrmals zu Gast gewesen sein.

Meinen kleinen Obstsalat und den noblen Ginseng-Kaffee genieße ich besonders. Schließlich musste ich dafür 23 Euro blechen. Die historische Einrichtung mit Landschaftsgemälden, einem alten Bücherschrank und Sesseln mit Samtbezug entschädigt aber für die horrenden Preise.

Als ich am Abend in den Bus Richtung Heimat steige, zeigt mein Handy 32 599 Schritte an. Autsch. Erschöpft lasse ich mich in den Sitz fallen und öffne den Glückskeks vom Vortag. "Eine Investition wird sich lohnen", heißt es. Die Reise nach Rom war den Aufwand jedenfalls wert.

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